Wege aus der Gewalt­ – Facetten einer feministischen Gewaltpräventionskampagne

Wie kann Gewalt gegen FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter-, nonbinär, trans, agender) effektiv vorgebeugt werden? Diese und ähnliche Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung in Zürich, die im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» organisiert wurde. In einem Gespräch teilten Mitarbeitende verschiedener Institutionen die eigenen Erfahrungen und Perspektiven in der Präventionsarbeit.

von Lara Gamboni, Noelle Borner und Sasha Kunz (Text und Bilder)
[Der Text ist im Rahmen eines PA-Kurses an der FMS entstanden. Die Schüler:innen haben die Veranstaltung selbst gewählt und stellen hier ihre Sicht darauf vor.]

Die feministische Friedensorganisation «FRIeDA» führte die Kampagne im Jahr 2008 zum ersten Mal durch. Sie entstand nach dem Vorbild der «16 Days of Activism Against Gender Violence», welche 1991 durch den Women’s Global Leadership gegründet wurde. Entsprechend beginnt sie jeweils am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und nimmt am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, ihr Ende. Während den 16 Tagen finden verschiedene Veranstaltungen statt, um auf geschlechterspezifische Gewalt aufmerksam zu machen und zur Bekämpfung dieser Gewalt aufzufordern.

Der Besuch im Feministischen Streikhaus
Am Abend des 21.11. nahmen wir an der Veranstaltung «Perspektiven in der Arbeit gegen Gewalt an FLINTA*» teil. Diese fand im Feministischen Streikhaus statt und wurde durch die Opferhilfe des Kantons Zürich ermöglicht. Im Feministischen Streikhaus, herrschte eine warme und einladende Atmosphäre. Die Wände waren übersäht mit politischen Stickern und Plakaten. Im Veranstaltungsraum selbst standen einige Stuhlreihen vor einem gemütlichen Sofa für die Sprecher*innen.

Die Runde begann mit einer kurzen Vorstellung der teilnehmenden Institutionen: Das Frauenhaus Zürich, das Mannebüro Züri, das Regenbogenhaus und die LGBTIQ-Helpline präsentierten ihre Arbeit. In diesem Bericht werden wir auf die Arbeit des Frauenhauses und des Zürcher Mannebüro genauer eingehen.

Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses berichteten, dass ihre Arbeit darin besteht, sichere Rückzugsorte für FLINTA*-Personen in akuter Gefahr zu schaffen. Sie erklärten, dass es für viele Betroffene nicht leicht sei, eine solche Einrichtung aufzusuchen. Und selbst Frauen, die ihre Partner verlassen, kehren oftmals wieder zu ihnen zurück. Die Sprecher*innen beschrieben auch, dass die Finanzierung des Aufenthaltes im Frauenhaus ein komplexes Thema darstellt. Die Bereitschaft der Sozialhilfe, einen solchen Aufenthalt zu finanzieren, sei je nach Standort unterschiedlich. Zuletzt machten sie deutlich, dass mit der wachsenden Bekanntheit des Frauenhauses auch der Druck auf die Institution steigt. Damit wurde erneut klar, welche Rolle Unterstützung für die Arbeit gegen Gewalt an Frauen spielt.

«Männer müssen keine Feministen werden, es würde auch reichen, wenn sie aufhören gewalttätig zu sein»

Das Mannebüro fokussiert sich auf Täterarbeit. Insgesamt fünf Berater widmen sich männlichen Tätern, welche FLINTA*-Personen gegenüber gewalttätig wurden. Viele, die das Mannebüro besuchen, tun dies freiwillig. Es gibt aber auch gesetzliche Auflagen, welche einen Besuch verpflichten. Die Berater führen Selbstwahrnehmungstraining durch, bei dem der Fokus darauf liegt, sich selbst und seine Gefühle zu erkennen und mit ihnen angemessen umzugehen. Gemeinsam versucht man Methoden zu erarbeiten, um die gewaltauslösenden Gefühle anders zu verarbeiten. Die Dauer der Beratungen variiert, im Falle einer gerichtlichen Anordnung, müssen bis zu acht Sitzungen besuchen. Wiederholt stellte sich die Frage, ob gerichtlich angeordnete Beratungen überhaupt einen Nutzen haben, da sich die Täter nicht eigenständig mit sich auseinandersetzen wollen. Die Frage bleibt unbeantwortet, trotz dessen versucht man allen, welche dort Beratungen entgegennehmen, verschiedene Ansichten zu zeigen, um sich selbst zu bessern.

Abbildung 1: Politische Plakate am Veranstaltungsort

Politische Perspektiven
Unter den Partner*innen auf der Webseite der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» findet man die SP Frauen Schweiz sowie die SP Frauen Baselland. Die Unterstützung der Parteimitglieder wird auch in einem Artikel der «Zürichsee-Zeitung» deutlich. Darin wird Tamara Funiciello, Berner SP-Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP-Frauen Schweiz, wie folgt zitiert: «Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt darf nicht nur eine gelegentliche Priorität, sondern muss eine ständige Verpflichtung sein».

Während die SP deutlich über geschlechterspezifische Gewalt spricht, welche in patriarchalen Strukturen verankert ist, vermeidet die SVP die Anerkennung solcher. In einem Artikel der Parteizeitung spricht sie von «Importierter Gewalt gegen Frauen». Die Partei macht damit nicht nur deutlich, wo sie die Wurzel der Gewalt gegen FLINTA*-Personen sieht, sondern negiert die Existenz angesprochener Strukturen in der Schweizer Gesellschaft. Daraus folgt eine andere Form der Gewaltbekämpfung, welche fehlende Gleichstellung und grundlegende patriarchale Strukturen nicht beachtet.

Eigene Perspektive
Die Arbeit gegen Gewalt an FLINTA* ist für uns, auch aufgrund unserer Betroffenheit, von hoher Priorität. Unserer Meinung nach sollte sich auch die Politik ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen. Das auch, weil geschlechtsspezifische Gewalt ihren Ursprung in unserer patriarchalen Gesellschaft hat und mittels politischer Massnahmen zumindest kleine Einschnitte in diese gemacht werden kann.

Der Besuch dieser Veranstaltung war eindrücklich: Zu hören, dass Institutionen, welche sich mit Gewalt an FLINTA*-Personen beschäftigen und eine erste Anlaufstelle darstellen, bekannter werden, ist erfreulich und erschreckend zugleich. Erfreulich, weil das bedeutet, dass sich immer mehr Menschen Hilfe holen können und erschreckend, weil das auch bedeutet, dass immer mehr Menschen Hilfe benötigen. Zusätzlich zu erfahren, dass viele dieser Institutionen aufgrund der Umstände unter enormem Druck leiden und nicht die notwendige Unterstützung des Bundes erhalten, ist bedrückend.

Auch Täterarbeit ist in unseren Augen ein wichtiger Teil der Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt. Dass sich immer mehr Männer reflektieren und mit ihren verinnerlichten patriarchalen Strukturen auseinandersetzen und präventiv an sich arbeiten wollen, ist erfreulich. Das bedeutet für uns, dass auch sie realisieren, dass die Arbeit gegen geschlechtsspezifische Gewalt nicht nur die Arbeit von FLINTA* ist, sondern dass auch sie Verantwortung in diesem Prozess tragen. Die vielfältigen Institutionen, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise ihren Teil an dieser Arbeit leisten verdienen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung.

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