Ein Haus für die Bildung

Die Geschichte des Gymnasiums Muttenz ist eine Geschichte des Hoffens und Bangens. Zahlreiche Male stand die Existenz unserer Schule schon auf Messers Schneide, und doch haben wir nie aufgegeben! Bereits die Entstehung unserer Schule war zaghaft, denn es dauerte lange, bis sich der Kanton dazu durchringen konnte, in Muttenz ein definitives Gymnasium zu errichten. Dann wurden immer wieder angemessene Schulgebäude versprochen, die bis heute nicht gebaut sind. Zuletzt hat uns die Idee zur Zentralisierung der FMS Baselland an unserem Standort Sorgen bereitet, hätte das doch die Auflösung der Maturabteilung bedeutet. Doch wir haben nie aufgegeben, und so gibt es uns seit einem halben Jahrhundert. Wenn wir in die Zukunft schauen, dann in der Hoffnung, dass die vielen Pläne Wirklichkeit werden. Doch jetzt schauen wir zurück auf 50 Jahre Gymnasium Muttenz. Von Brigitte Jäggi, Rektorin (Fotos: Daniel Nussbaumer und analoges Bildarchiv)

Nach seiner Gründung 1972 erhielt das Gymnasium Muttenz im Anschluss an die ersten Maturprüfungen 1974 die eidgenössische Anerkennung. Mit einem Fackelzug durch Muttenz auf den Wartenberg und anschliessendem Höhenfeuer wurde diese Anerkennung öffentlich gefeiert. Aber schon kurze Zeit später kursierte das Gerücht, dass wir als eigenständiges Gymnasium in Frage gestellt werden und als «Münchenstein II» in einem Neubau neben dem dortigen Gym weiterbestehen sollen. Angedacht waren zwei Schulen nebeneinander mit je 600 Schülerinnen und Schülern, mit eigenem Rektorat, eigenem Profil, aber der Möglichkeit zur besseren Ausnutzung von Fachräumen, Turnhallen oder der optimalen Auslastung von Wahlfächern. Auch hier wurde heftig diskutiert: Sind die längeren Schulwege zumutbar? Können die beiden Schulen ein eigenes Profil behalten? Dieselben Fragen wurden erneut in der Diskussion um einen Zusammenzug aller FMS-­Standorte in Muttenz 2018 gestellt.

Für das Gymnasium Muttenz war ursprünglich ein Neubau vorgesehen. Im Verlauf der ersten beiden Schuljahre (1972–1974) wurden Pläne mit einem detaillierten Kostenvoranschlag ausgearbeitet. Der vorgesehene Standort des neuen Gymnasiums Muttenz befand sich östlich des Technikums und nördlich unseres Kriegackerschulhauses. Die anfänglich geplante Eröffnung im Jahre 1975 wurde aus finanziellen Gründen auf 1978 verschoben, doch bald darauf verschwand die Idee dieses Neubaus in der Versenkung.

Schon 1979 drohte dem jungen Gymnasium neue Gefahr, denn dann fand eine Abstimmung zur finanziellen Beteiligung des Kantons Basel­ Landschaft an der Universität Basel statt. Eine Ablehnung, so wurde vermutet, hätte wahrscheinlich eine Schrumpfung der Baselbieter Gymnasien zur Folge gehabt. Das Gymnasium Muttenz ohne «festen Wohnsitz» wäre hauptsächlich von diesem Abbau betroffen gewesen. Die Schüler*innen­-Organisation setzte sich daher vehement für ein «Ja» ein und führte ein Strassentheater zur Abstimmung durch. Zu unserem Glück stimmte die Bevölkerung der finanziellen Unterstützung der Universität zu, sonst wäre das womöglich das schnelle Ende für uns gewesen.

Unser jetziges Kriegackerschulhaus wurde 1976 ursprünglich als Gesamtschule der Gemeinde Muttenz gebaut. Die Idee der Gesamt­schule wurde aber schnell wieder verworfen. Was also tun mit dem gebauten Haus? Der Kanton erwarb es und liess darin 1980 das heimat­lose und in alle Winde zerstreute Gymnasium mit der Diplommittelschule unterbringen. Ein erfreulicher Zuwachs an Schüler*innen, zeitweilig bis fast 50%, bereicherte unsere Schule über die Jahre. Ab 1993 durften Schüler*innen aus dem Fricktal die Baselbieter Gymnasien, naheliegen­derweise das Gym Muttenz, besuchen. Mit dem Bau des neuen Gyms im Fricktal bei Stein wird 2025/2026 diese fruchtbare Zusammenarbeit leider enden. Wir bleiben aber sicher als Gymnasien über die Kantons­grenzen hinweg freundschaftlich verbunden.

1999/2000 kam die jahrelange Schulraumnot mit dem Bezug des BZM (Bildungszentrum Muttenz) zu einem vorläufigen Ende. Nach langen Diskussionen wurde die DMS 3 (Diplommittelschule 3) in das zusätzliche Gebäude verlegt. Damit wollte man der DMS, heute FMS (Fachmittel­ schule), ein eigenständiges Profil geben. Dass dies gelang, ist heute am Selbstverständnis der FMS-­Schüler*innen gut zu erkennen. 2009 konnte man, um dem Anstieg der Klassenzahlen an der FMS entgegenzuwirken, weitere vier Räume im Erdgeschoss des BZM umgestalten und beziehen. Einen weiteren provisorischen Bau bezogen wir im August 2016. Der grüne Pavillon, der sich bestens in die Gartenanlage unserer Wohn­nachbarn und den Zwischenraum einfügt, beherbergt im unteren Stock die Fachschaft Musik und oben drei Schulzimmer.

2018 kam der nächste Schock für das Bestehen unseres Gyms: Im Mas­terplan der Sekundarschulen II überlegte sich die Regierung unter anderem, alle FMS-­Schulen des Kantons in Muttenz zusammenzuziehen und dafür die gymnasiale Abteilung in Muttenz zu schliessen. Alarmiert von dieser Idee, setzte sich auch hier wieder die Schüler*innen­-Organisation tatkräftig ein: mit Demonstrationen vor dem Regierungs­gebäude in Liestal und in Gesprächen mit der Vorsteherin der Bildungs­-, Kultur­ und Sportdirektion. Das Lehrerkollegium hat bei Bekanntwerden dieser Strategie sofort einen Katalog mit Gegenargumenten entworfen. Eine zusätzliche Unterstützung gegen eine Zentralisierung, vor allem gegen den Abbau der gymnasialen Abteilung, fand die Schulleitung bei den Gemeinderät*innen der Region Rheintal­-Hülften, aus deren Gemein­den unsere Schüler*innen hauptsächlich kommen. Im Januar 2020 kam dann die glückliche Mitteilung: Unser Standort Gym Muttenz bleibt, wie er ist. Mit einem spontanen Apéro haben wir diese Nachricht gefeiert. Nun wollten wir voller Elan und Zuversicht an unseren nächsten Projekten arbeiten. Aber noch einmal kam alles anders: Unsere Energie wurde gänzlich von der Coronapandemie absorbiert.

Der Campus
Seit die FHNW 2018 in ihr neues Gebäude eingezogen ist, bildet das verlassene Gebäude, genannt der alte FHNW­-Turm, mit Aula, Mensa und Cafeteria für die Berufsfachschule, das Zentrum für Brückenangebote (ZBA) und das Gym den gemeinsamen Mittelpunkt. Über Mittag treffen wir uns beim Essen, hier ein «Hallo», dort ein Gespräch. Die Aula als einziger grosser Raum für alle ist in gemeinsamer Verwaltung. Gut nachbarschaftlich teilen wir uns heissbegehrte Termine rund um Schulanfänge, Weihnachten und Abschlussfeiern. Als Schule mit einem grossen Chor und ebensolchem Theater beanspruchen wir die Aula etwas mehr, dafür werden die beiden anderen Schulen für solche Darbietungen aber auch eingeladen.

Schon bei der Gründung des Gymnasiums Muttenz spielte der Campusgedanke eine Rolle. Unser Gym wurde 1972 im Pavillon an der Gründenstrasse 87 eröffnet. Im Unterschied zu anderen Gymnasien des Kantons lag das neu gegründete Gym Muttenz inmitten eines Schulzentrums oder eben inmitten eines Campus: 1974 befanden sich das Technikum beider Basel, die Gewerbliche Berufsschule und die Realschule Gründen mit der Primarschule längst vor Ort. Der Campus­gedanke wurde schon damals gepflegt: Die Gewerbeschule gewährte uns Asyl für die Mitnutzung des Xerox­-Apparates, überliess uns Räum­lichkeiten für den Unterricht im Zeichnen, im Werkkurs und in der Physik und liess uns sogar den Brennofen und den Kraftraum mitnutzen. Das Technikum stellte Zimmer im 4. Stock für den Sprachunterricht und die Bibliothek zur Verfügung.

2023 startet die Sanierung der alten FHNW, darin werden ab 2027/2028 alle Berufsfachschulen des Kantons ihren Platz finden. Seit dem Schuljahr 2019/2020 finden schon intensive Diskussionen zum Neubau des gemeinsam genutzten Gebäudes «Mitte» und des neu gestalteten Mittelpunktes statt. Ein Arboretum wird die Mensa und die Aula im Untergeschoss umgeben, dieses wird von den Gärtner*innen der Berufsfachschulen entworfen. Die Aula wird für Theater, Referate, Chorauftritte, Versammlungen und Feiern mit bester Akustik und Licht­führung ausgestattet. Im 1. Stock befindet sich unsere neue gemeinsame Mediothek.

Den Mittelpunkt zwischen unseren Schulen bildet ein Forum mit vielfälti­gen Nutzungsmöglichkeiten. Die meterhohen, ausrollbaren Leinwände an den Gebäuden bieten die Möglichkeit für ein Open-­Air­-Kino.
Die Schulen zeigen ihre Angebote und Erzeugnisse an Marktständen auf dem Forum. Tische und Stühle laden zum Verweilen und Kaffeetrinken ein. Von da aus hat man einen spannenden Blick in die gegenüberliegen­ den Werkstätten der Berufsfachschulen.

Rektorin Brigitte Jäggi vor dem künftigen „Arboretum“, im Hintergrund rechts die Mensa und der ehemalige FHNW-Turm vor Beginn der Sanierung

Die Turnhallen
Ursprünglich waren 1984 für das gemeinsame Schulzentrum acht Turn­hallen geplant. Aber dann lag nur ein detaillierter Kostenvoranschlag für vier Hallen vor. Schon damals wurden für das Gym zwei eigene Turnhallen gefordert. Platz für zwei weitere Turnhallen hätte es westlich des Hallen­ komplexes gehabt. Sie wurden aber bis jetzt nicht gebaut. Diese Knappheit an Hallen erfordert bis heute gemeinsame Absprachen. Deshalb findet jährlich die sogenannte Turnhallenkonferenz statt, die die Verteilung der Sporthallen zwischen den drei Schulen regelt. Dabei werden wichtige Fragen geklärt: Wer erhält nun welchen Morgen zuge­sprochen? An welchem Tag braucht die eine Schule weniger Hallen? Wer weicht in die Sekundarschulhallen aus? Die Sportlehrpersonen handeln dann für das anstehende Schuljahr die einzelnen Events unter­ einander aus. Die einen haben Anfang Juni ihren Sporttag, die anderen erst zwischen Sommer­ und Herbstferien. Während der verschiedenen Sonderwochen schauen alle, dass man aneinander vorbeikommt.

Die Diskussion um die Anzahl Sporthallen bleibt. Im neuen Campus Polyfeld unter dem Forum sollen bis 2027/2028 weitere drei Sporthallen gebaut werden. Aber schon tauchen die nächsten Fragen auf: Reicht die Zahl Sporthallen tatsächlich bei der erhöhten Anzahl Lernender? Haben wir genügend Aussenplätze, um die geforderten Lerngebiete in der Leichtathletik vermitteln zu können?

Das Kriegacker im Morgenlicht: fast mehr Platz für Autos als für Sport.

Die Mediothek
Die Bücher einer Gruppenarbeit im Deutschunterricht im Jahr 1974, bei dem jede Schülerin, jeder Schüler ein Werk von Gerhart Hauptmann oder Gottfried Benn las, bildeten den Grundstock der ersten Bibliothek unse­res jungen Gymnasiums. Diese Bücher fanden auf nur zwei Regalen im Zimmer des ersten Rektors im Pavillon an der Gründenstrasse 87 Platz. Beim Einzug ins Kriegackerschulhaus 1979/1980 erhielt die Schulbiblio­thek den grössten Raum. In den kommenden Jahren hatten sich die Anzahl Bücher und auch die Besucherzahlen derart erhöht, dass 1988 eine moderne Freihandbibliothek gebaut wurde, die mit ihren Arbeits­plätzen auch für das selbstständige Arbeiten der Schülerinnen und Schüler genutzt werden konnte.

Die nächste Phase der Erweiterung der Mediothek wurde mit dem Umzug der DMS 3 ins nahegelegene BZM 1999/2000 ermöglicht. Damit wurden die vom Landrat geforderten Multimedia­-Arbeitsplätze und ein zusätzlicher Arbeitsraum geschaffen. Die neue Mediothek im Gebäude «Mitte» wird ab 2027/2028 von allen drei Schulen des Campus gemeinsam ge­nutzt. Eine breite Treppe, die zum Arbeiten und auch für Präsentationen genutzt werden kann, führt in die offene und grosszügig gestaltete Mediothek. Zukünftig finden sich dort neben den Medien für den gymna­sialen und den FMS-­Lehrplan auch spannende Informationen zu Berufen und der Berufsbildung.

Ein neues Haus fürs Gym Muttenz

Dass das Kriegackerschulhaus den Bedürfnissen des Gym Muttenz nicht mehr genügt, ist offensichtlich. Und so wurde wieder geplant. Im Schuljahr 2017/2018 hätte das sanierte Gebäude der FHNW bezogen werden sollen. Schon 2006 hatten sich auf Anraten der Architekten alle Fachschaften mit viel Elan in die Planung der neuen Räumlichkeiten gestürzt. Bis zum einzelnen Bleistift, Radiergummi und Reagenzglas wurde die zukünftige Einrichtung und Ausstattung entworfen. Die Skiz­zen für die neuen Räume haben wir bis ins letzte Detail ausgestaltet.

Alle Entwürfe liegen noch heute im Rektorat: bereit zum Einsatz. Die dann erfolgte Absage war für das Gym Muttenz nichts Neues: Der Neubau, der seit 1975 eigentlich hätte realisiert werden sollen, wurde wiederum verschoben. Nach aktuellem Wissensstand werden wir 2030 das ehemalige Gebäude der Berufsfachschule Muttenz beziehen. Dieses soll asbestsaniert, renoviert und erweitert dem Gym mit der FMS sowie dem ZBA als neues «Zuhause» dienen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Wenn Sie heute unser Hauptgebäude, das Kriegackerschulhaus an der Gründenstrasse 30, betreten, finden Sie sich in einem engen Gang mit niedrigen Decken wieder. Eine imposante Eingangshalle oder gross­zügige Arbeitsbereiche für Lernende, wie sie andere Gymnasien des Kantons haben, fehlen gänzlich. Diese Umstände begleiten uns seit 1972. Vielleicht arbeiten wir gerade wegen der engen Verhältnisse und der beständigen Existenzangst als innovatives und kreatives Team – Lehr­personen, Administration und Schulleitung – so gut zusammen und entwickeln unsere Schule weiter. Nichtsdestotrotz freuen wir uns schon jetzt auf ein modernes, lichtdurchflutetes und den heutigen Lernformen angemessenes Schulhaus mit viel Raum, Platz zum Selbstlernen und um kreativ zu sein. Und wer weiss, vielleicht ist es 2030 dann tatsächlich so weit und nach 55 langen Jahren erhält das Gym Muttenz endlich ein adäquates Haus für die Bildung!

Das Hauptgebäude an der Gründenstrasse an einem schönen Novemberabend

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