
Ein Regenbogen in der Morgendämmerung stimmte uns gestern Morgen darauf ein, einer mutigen Baslerin zu gedenken. Martha Schwartz wurde bei ihrer Aktion für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Jahr 1938 in Lörrach verhaftet, später dann zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und von den Schweizer Behörden im Stich gelassen. Sie starb am 30 Oktober 1939, inhaftiert in München. Martha Schwartz hatte mit ihrer Familie an der Fröschgasse 15 gewohnt, nahe der Endstation der Tramlinie 8. Und seit gestern gibt es dort einen Stolperstein zum Gedenken an sie und an alle, die ihr Engagement für die Menschlichkeit mit dem Leben bezahlen mussten. Die Klasse 4MZ hat an der offiziellen Setzung des Stolpersteines für Martha Schwartz einen Beitrag geleistet und damit zum Ausdruck gebracht, dass wir niemals vergessen dürfen, wofür Martha und viele andere gekämpft haben: für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Genau wie der Regenbogen am Morgen, der uns an die Vielfalt und Schönheit des Lebens erinnert, soll dieser Stolperstein stets ein Symbol der Hoffnung und des Widerstands gegen das Dunkel der Diktatur und des Extremismus sein. Klasse 4MZ: Textcollage. Daniel Nussbaumer: Lead und Fotos.
Text ohne TITEL, denn uns fehlen die WORTE
Nun sind wir an dem Punkt angelangt, an dem das Ende ihres Lebens den Anfang nimmt.
Ein Lebensende, das auch das Leben ihrer Familie in Mitleidenschaft zog.
Von nun an hätte vieles anders kommen können, anders kommen müssen.
Martha wurde vergessen.
Wir dürfen nicht vergessen:
Nicht, was Martha ertragen musste.
Nicht, was hunderte Schweizerinnen und Schweizer aus politischen oder religiösen Gründen während der Nazizeit ertragen mussten.
Nicht den Aufstieg des Extremismus im Nachbarland.
Nicht den Extremismus heute und hierzulande.
Nicht die Existenz der grausamen Mentalität, welche es in den Fussstapfen Marthas, damals wie heute, zu bekämpfen gilt.
Verraten
6. April 1938. Tram Nummer 6. Eine Tasche mit verhängnisvoller Fracht.
Eine tickende Zeitbombe, Zwei lauernde Augenpaare, geraubte Freiheit.
Ausgeliefert
Wie hat sie sich gefühlt?
Machtlos? Verraten? Schockiert? Überfordert? Angstvoll? Traurig? Ungläubig? Wütend?
Menschlichkeit?
Wussten die anderen, dass sie die Welt für einen Menschen zum Zerbrechen bringen?
Erkannten die Ärzte nicht den Ernst der Lage? Wollten sie nicht sehen?
Wo war die Schweiz?
Sind Gefangene keine Menschen mehr?
Das Tram klingelt und hält an. Sie steigt aus. Schnellen Schrittes läuft sie auf den Werderplatz zu. Irgendwo schlägt es sechs Uhr. Die Fahnen Hitlers wehen im Wind. Sie öffnet ihre Handtasche und lässt unauffällig einen Zettel auf den Boden rieseln. Sie spürt die Blicke, die auf ihr ruhen. Doch der Mut, sich für die eigene Meinung einsetzen, treibt sie voran. Später dann spürt sie die schwere Hand, die ihr Schicksal bestimmt, auf ihrer Schulter. „Was machen Sie hier!“
08:30 Uhr
Sie packen sie und sie weiss, dass sie festgenommen wird, aber sie hat ihre Botschaft verbreitet. Sie kann nur hoffen, dass sie gehört wird.
Schon krass, dass gewisse Menschen nichts anderes zu tun haben, als Wildfremde auf der Strasse abzufangen und sie zur Polizei zu bringen, nur weil sie etwas Verbotenes gemacht haben könnten. Kann man die anderen nicht einfach leben lassen und auf sich selbst achten?

Verhaftet und ermordet, weil sie Flugblätter verteilte:
Als Martha Schwarz am 6. April 1938 in die Strassenbahn Nr. 6 stieg, hofften wohl alle, dass sie gesund zurückkehren würde. Doch es kam anders.
«Arbeiter! Protestiert gegen die Hunger-Kriegs-Abenteuerpolitik Hitlers am 10.4. mit – NEIN –.»
Das war der Satz, der Martha schlussendlich ins Gefängnis brachte. Wenn wir dieses Szenario auf heute übertragen, wäre es ein Skandal, wenn jemand für das Verteilen eines solchen Flugblattes überhaupt bestraft würde. Die Nazis waren ein Regime, das alle Meinungen, die von ihrer eigenen abwichen, als nichtig betrachtete. Keine Demokratie, keine Meinungsfreiheit.
Wenn wir heute auf dieses Ereignis zurückblicken, kommt Wut auf. Wut gemischt mit Trauer. Traurigkeit, weil wir wissen, dass die staatlichen Behörden nichts unternommen haben, um Martha Schwartz aus ihrer tödlichen Lage zu befreien, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Wir wissen nicht, ob sie es letztendlich geschafft hätten, aber sie hätten es zumindest versuchen können. Hier also die Wut.
Zurück in die Gegenwart. Da gibt es noch Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich so etwas in der Geschichte nicht wiederholen wird.
Ihr eigenes Land, das für ihre gerechte Behandlung und sichere Rückkehr hätte sorgen sollen, hat sie in ihrer Zeit der Not alleine stehen lassen. Der Martha Schwartz, die anderen helfen wollte, half niemand.
Sie starb allein.
Müde von dem Land, das nichts tut.
Müde von der Menschheit, die nichts sieht.
Ich stehe hier und kann es kaum fassen. Weshalb verrät ein Mensch einen anderen so hinterhältig, obwohl die Person kaum etwas gemacht hat, ausser ein Flugblatt fallen zu lassen – unglaublich! Doch zu der Zeit des Nationalsozialismus geschah noch so vieles, was man heute nicht verstehen kann.
Und jetzt dieser Stolperstein, die Erinnerung an früher. Ich verspüre Trauer über das, was geschah, doch gleichzeitig auch Hoffnung, wenn ich daran denke, dass die Menschen es nun vielleicht endlich begriffen haben, dass so etwas hoffentlich nie wieder geschehen wird. Und ein ganz kleines bisschen hilft diese Erinnerung und Wertschätzung hier und heute vielleicht, auch wenn es natürlich nie gutmachen kann, was damals geschah.
Sie hätte auch nichts tun können.
Hätte nicht ins Tram steigen und nach Lörrach fahren müssen.
Hätte keine Flugblätter verteilen müssen.
Hätte sich um ihre eigenen, persönlichen Probleme kümmern können.
Aber das tat sie nicht.
Martha engagierte sich politisch. Und das, obwohl sie als Schweizerin noch nicht einmal das Stimmrecht besass. Das finde ich stark.
Dass sie nicht wegschaute.
Dass sie sich einsetzte.
Es ist traurig, dass wir einen Stolperstein für Martha Schwartz verlegen müssen, weil sie am 6. April 1938 nicht zurückkehrte.
Aber wir sind froh, dass wir heute hier einen Stolperstein für sie verlegen dürfen, um an sie zu erinnern.
Die Bilder zeigen die kleine Zeremonie zur Setzung des Stolpersteines, die vom Verein Stolpersteine vorgenommen wird. Vom Verein Echo gibt es eine Hörkarte („Wenn Steine sprechen“), welche das Aufsuchen der Stolpersteine und das Anhören der Biografieren von Menschen ermöglicht, die als Verfolgte vergeblich in Basel Zuflucht gesucht haben.












Das Basler Lokalmedium Bajour hat ebenfalls über die Setzung des Stolpersteines für Martha Schwartz berichtet.
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