Vom Schädelbohren der Maya zur digitalen OP-Brille: Ein Neurochirurg schreibt Medizingeschichte

Sein Werdegang: Vom Biologie- und Chemiebegeisterten an einem Berner Gymnasium über die Promotion zum Assistenzarzt, gefolgt von bahnbrechender Stammzellenforschung in Kalifornien. 1996 schrieb Prof. Guzman Schweizer Medizingeschichte: Ihm und seinem Team gelang die schweizweit erste Stammzellentransplantation im menschlichen Gehirn. Die „neuen“ Stammzellen sollen die krankhaft degenerierten im Gehirn eines Parkinson-Patienten ersetzen, wie Prof. Guzman leicht stolz erklärte. Seit seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahre 2012 arbeitet er im USB als Chefarzt der Neurochirurgie und Klinikleiter; 2023 übernahm Prof. Guzman zusätzlich die Leitung der pädiatrischen (d.h. kindlichen) Neurochirurgie am UKBB.

Mittels nur 6 Millimeter grossen Mikrokameras dringt sein Team minimalinvasiv ins Gehirn vor, während Mixed-Reality-Brillen Tumorbereiche als holografische Overlays direkt im Sichtfeld des Chirurgen anzeigen, berichtet Prof. Guzman. Mit Head-Mounted Displays können nicht nur wichtige Operationsinformationen in Echtzeit abgerufen werden, sondern dank spezieller Navigationstechnologie wird auch das Endoskop auf kleinste Distanzen genau verfolgt. Gewebe- und knochenschneidende Laser erhöhen zusätzlich die Präzision dieser heiklen Eingriffe; mittlerweile werden auch Laser erprobt, welche mittels CO2-Gas schneiden. Doch: „Die Neurochirurgie hat sich in den letzten Jahrzehnten beträchtlich weiterentwickelt. Dennoch sind wir noch längst nicht am Ende angekommen und haben noch viel zu entdecken“, so der Chirurg, dessen Virtual-Reality-Simulatoren Ausbildungszeiten künftiger Neurochirurgen halbieren sollen.

Bei diesem Entwicklungsstand und dem aktuellen KI-Aufleben müsste doch die vollautonome Operation auch bald möglich sein, möchte man nun denken. Doch Prof. Guzman warnt vor überzogenen Erwartungen: „Roboter sind noch zu ungenau für komplexe Eingriffe und werden nur vereinzelt eingesetzt. Sie sind dem Chirurgen an Schnelligkeit unterlegen und können weder Verantwortung übernehmen noch Empathie gegenüber Patienten zeigen. KI wird in der Zukunft Voruntersuchungen übernehmen, aber die letzte Entscheidung bleibt menschlich.“ Denn eines ist klar: Auch Neurochirurgen brauchen Empathie und Einfühlsvermögen, um besonders die nachfolgende Behandlung für ihre Patienten so angenehm wie möglich machen zu können.

Doch er hat eine Vision: Digitale OP-Cockpits, in denen Neurochirurgen wie Piloten Echtzeitdaten von MRT-Bildern bis hin zu Blutwerten überblicken – millimetergenau gesteuert durch mikroskopgekoppelte Roboterarme. Besonders stolz ist er auf neue analytische Programme und Geräte, die Geninformationen von Tumoren nach der Entfernung eigenständig analysieren und in großen Datensätzen speichern. Eine weitere bedeutende Innovation ist der sogenannte “Automatic Cranial Implant Design Algorithmus”, der aus Bilddaten beschädigter Schädelregionen passgenaue Implantate generiert und diese mittels 3D-Druck herstellt. Die Forschung arbeitet intensiv daran, diesen 3D-Druck auf biologische Materialien zu erweitern, sodass die Implantate wie Knochen oder möglicherweise sogar Organe mit dem Menschen mitwachsen können.

Trotz aller Fortschritte bleibt die Neurochirurgie ein Feld der Extreme: „Bei Aneurysmen retten wir heute Patienten, die früher chancenlos waren. Doch bei Alzheimer oder vollständigen Rückenmarksdurchtrennungen stehen wir noch am Anfang“.

Dennoch hat Prof. Guzman den Besuchern seiner Mittagsveranstaltung eindrücklich den Evolutionsweg von den einstigen, primitiv anmutenden Schädeloperationen der Maya zur Entfernung böser Geister bis zur computergestützten Hochpräzisionschirurgie illustriert, wie tief Vergangenheit und Zukunft in der Neurochirurgie miteinander verwoben sind. Prof. Guzmans Arbeit verdeutlicht, dass wir trotz modernster Technik erst am Anfang einer neuen Ära stehen – einer, in der menschlicher Einfallsreichtum und digitaler Fortschritt Hand in Hand gehen, um Grenzen zu verschieben und Leben zu retten. Man darf gespannt bleiben.

Kommentare sind geschlossen.

Nach oben ↑