
Text: Sonya Decrue und Dorren Zver (1Z)
Bilder: Daniel Nussbaumer
Es war kurz vor halb eins. Dutzende Zuschauer:innen strömten in das bestuhlte Foyer. Einige stillten noch hastig ihren Hunger, bevor die Vorstellung begann. Einige der Stühle waren reserviert. Daran hingen Schilder mit der Aufschrift «Klasse F2a» und «Klasse F2e». Hier sassen die Schauspieler:innen, die einen gekleidet in Anzügen, die anderen in altmodischen Ballkleidern, wieder andere in Alltagskleidung. Als alle aufstanden und auf der Bühne herumgingen, erinnerte die Szene an eine Party, was durch die laute Musik noch stärker unterstrichen wurde.
Plötzlich erklang ein neues Lied und alle fingen an zu tanzen. Nach einiger Zeit bildeten sich zwei Kreise, in welchen jeweils im Mittelpunkt jemand mit einem Mikrofon in der Hand stand. Die Klassen kreisten um die beiden herum und es wurde eine Art Liebesroulette gespielt, bei dem jedoch die Regeln nicht ganz klar waren. Das Spiel löste sich wieder auf und es wurde Platz gemacht für die erste Szene.




An die weisse Wand wurde der Buchtitel von Gottfried Kellers Novelle «Romeo und Julia aus dem Dorfe» projiziert. Zwei Schüler und eine Schülerin erzählten die Geschichte kompakt und schön verständlich, wobei die Rollen untereinander mit jeder Szene vertauscht wurden. Es handelte sich um eine Version von Shakespeares Liebesdrama, bei der zwei verliebte Bauernkinder unter dem Streit ihrer Väter leiden und sich dazu entschliessen, zusammen die Flucht zu ergreifen. Das Liebespaar begeht schlussendlich Selbstmord, indem die Liebenden sich gemeinsam im Fluss ertränken.



Doch es blieb nicht lange Zeit, um den toten Bauernkindern nachzutrauern, denn von vorne aus dem Publikum hörte man plötzlich, wie sich zwei Schülerinnen über die Instagram-Story einer Influencerin unterhielten. Auf der Wand wurde uns diese Story gezeigt, und wir erfuhren, dass ihr auf einer Party K.O.-Tropfen verabreicht worden waren und sie jetzt ungewollt schwanger war. Die beiden Schülerinnen erinnerten sich an «Die Marquise von O…» von Heinrich von Kleist und zogen nun Parallelen zwischen den beiden Geschichten. Beide Frauen waren während des Unbewusstseins vergewaltigt worden und suchten nach dem Vater, indem sie in der Zeitung oder einer anderen Art von Medium nach ihm aufriefen. Dadurch wurde ein schöner Vergleich mit dem 19. Jahrhundert hergestellt und ein heikles Thema gekonnt aufgegriffen.


Insgesamt wurde in 13 kleinen Inszenierungen verschiedenste Literatur vorgestellt und zusammengefasst, wobei es in allen Geschichten um jegliche Art von tragischer Liebe ging. Das Bühnenbild des Theaters war sehr minimalistisch gestaltet, was ihm jedoch einen Charme gab. Mehr als einen Tisch, einige Metallfässer und eine Projektion auf der Wand gab es nicht, was die Aufmerksamkeit der Zuschauer völlig auf die dargestellten Geschichten lenkte. Die beiden Klassen dachten sich eine kreative und effiziente Art aus, dass alle zusammen auf der Bühne stehen konnten. Die Schüler:innen teilten sich teilweise die Rollen.




Das Verständnis der Rollen hing am meisten von der charakteristischen Kleidung ab. Die Kostümwahl der Charaktere war in jeder einzelnen Geschichte angepasst an die Epoche und die Storyline, was bei jedem Buch etwas Frische mitbrachte. Die Technik trug mit Lichtverhältnissen zum Verständnis der Geschichte bei, da teils Zitate aus dem Buch vorgelesen wurden, während eine Szene spielte. Dass die Geschichten zeitlich von Mittelalter bis zur Neuzeit eingeordnet waren, gefiel uns besonders gut. Was jedoch ein wenig schade war, ist, dass einige Geschichten nicht so ausführlich geschildert wurden und somit kaum verständlich waren.












Als Fazit als Zuschauerinnen finden wir, dass das Theater auch mit so vielen Schüler:innen gut funktionierte, auch wenn es zwischen den einzelnen Szenen merkbare Unterschiede gab. Die technischen Hilfsmittel wurden sinnvoll eingesetzt, wie z.B. bei «Die Marquise von O…» oder «Die Kindermörderin», als das Ermorden des ungewollten Kindes mit gut platzierten Kameraeinstellungen filmisch inszeniert wurde. Wir finden es schön, wenn man sich durch das Schauspiel mit Literatur auseinandersetzt – eine schöne Abwechslung zum herkömmlichen Unterricht.

Im Programmheft finden Sie Informationen zu allen Stücken.
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