
Am diesjährigen Polithalbtag stand der Bundesbeschluss über den Ausbau der Nationalstrassen im Fokus. Alle Schüler:innen der 3. Gym- und FMS-Klassen befassten sich rund zwei Wochen vor der Abstimmung im Rahmen eines Workshops und einer Podiumsdiskussion mit diesem politischen Thema. Christof Manetsch (Foto: Claudio Conidi)
Die Vorlage stiess bei den Schüler:innen auf grosses Interesse, zumal sie einen lokalen (Rheintunnel) und für viele auch einen persönlichen (Autoprüfung) Bezug hat. Die Jugendlichen besuchten zunächst bei ihrer Geschichtslehrperson einen Workshop. Dort informierten sie sich über die Einzelheiten der Vorlage. Sie reflektierten das vorliegende Thema anhand der Argumente der Befürworter:innen und Gegner:innen und positionierten sich selbst. Die Workshops waren auch geprägt von lebhaften Diskussionen, bei denen die Schüler:innen auch über ihre eigene Mobilität nachdachten.
Nach dem Workshop begaben sich die Jugendlichen (zu Fuss) ins Foyer. Dort warteten vier Lokalpolitiker, die bereit waren, auf einem Podium über die Vorlage zu diskutieren. Cyril Bleisch (Jungfreisinnige BL) und Joel Thüring (SVP BS) vertraten die befürwortende Seite, während sich Linus Dörflinger (Junge Gründe BL/BS) und Florian Schreier (Geschäftsführer VCS beider Basel) gegen die Vorlage aussprachen. Der Verein discuss it hat dieses Podium in Zusammenarbeit mit der Fachschaft Geschichte organisiert. An dieser Podiumsdiskussion nahmen alle 3. FMS-Klassenteil sowie die 3Wa.
Im Anschluss organisierte discuss it gleich ein zweites Podium mit Tobias Beck (Landrat EVP) und Florian Spiegel (Landrat SVP) für alle weiteren 3. Gym-Klassen. Die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf das erste Podium.
Sämtliche Plätze waren gefüllt und die Blicke richteten sich erwartungsvoll auf die vier Politiker. Milla Sambar von discuss it übernahm die Moderation des Podiums und begrüsste das Publikum und die Gäste. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und Einführung ins Thema startete die Diskussion.
Eine zentrale Frage brachte Sambar zu Beginn auf. «Wie wird die Stauproblematik gelöst?» Die Teilnehmer begegneten auf diese Frage mit unterschiedlichen mathematischen Gleichungen. «Mehr Strassen bedeuten nicht weniger Stau», sagte Dörflinger und betonte, dass bei einer Annahme der Initiative Birsfelden und Teile des Kleinbasels jahrzehntelang durch Baustellen belastet würden und Grünflächen verschwänden.
«Mehr Menschen bedeuten in erster Linie mehr Verkehr», entgegnete Thüring in ähnlichem mathematischem Duktus. Für Thüring ist es wichtig, dass der Verkehr reibungslos fliessen kann, zumal durch die enormen Staustunden beträchtlicher volkswirtschaftlicher Schaden entstünde. Zusätzlich würden die Quartier- und Dorfstrassen durch den Ausbau wieder sicherer werden, da sich der Ausweichverkehr verringern würden: «Eine win-win-Situation für den Autofahrer und den Velofahrer.»
Schreier taxierte den Ausbau der Nationalstrassen als ein Beispiel für verfehlte Verkehrspolitik. Während Milliarden in Strassenprojekte investiert würden, stocke der ÖV-Ausbau gleichzeitig. Dörflinger griff dieses Argument auf und strich die Unvereinbarkeit des Projekts mit dem angenommenen Umweltschutzgesetz heraus.
Bleisch hob die Wichtigkeit des Autos hervor, beispielsweise für das Kleingewerbe. Auch in Zukunft würde das Auto als Fortbewegungsmittel zentral bleiben. Er befürwortet den ÖV-Ausbau durchaus, dieser dürfe den Ausbau der Nationalstrassen aber nicht ausschliessen.
Mathematisch ging es bei der CO2-Frage weiter. Dörflinger: «Mehr Verkehr bedeutet mehr CO2-Ausstoss!» Gerade in Hinblick auf Basels Netto-Null-Ziel bis 2037 gefährde der Ausbau der Strassen (und vor allem der Rheintunnel) dieses Ziel enorm.
Thürings Rechnung ging so: «Mehr Stau bedeutet mehr CO2-Ausstoss.» In diesem Sinne hob der SVP-Grossrat hervor, dass es bei fliessendem Verkehr, zu geringerem CO2-Ausstoss käme. Bleisch räumte ein, dass die Baustellen für sich eine gewisse Umweltbelastung mit sich bringen würden, argumentierte aber, dass auf längere Frist das Bauvorhaben nachhaltig sei und vor allem auf die Bedürfnisse der Menschen in der Schweiz einginge.
Für Schreier ist das Auto als Fortbewegungsmittel enorm ineffizient. «Im Schnitt sitzen nur 1.09 Personen in einem Auto! Es sind also fast immer vier Sitze leer. Hier müssen wir ansetzen.» Bleisch konterte sofort: «Die ÖV-Auslastung beträgt auch nur 27%!»
Sambar leitete das Podium gekonnt und nahm immer wieder Stimmen und Rückfragen der Schüler:innen auf.
Die Diskussion wurde in der Sache hart geführt. Die Politiker begegneten sich mit Respekt und fielen sich nur selten ins Wort. Die Schüler:innen konnten sich ein reflektiertes Bild der Abstimmungsvorlage machen und hautnah mitverfolgen, wie gewählte Politiker über ein Thema diskutierten. Auch ein gewisser Unterhaltungswert war dem Podium nicht abzusprechen, zumal sich vor allem Thüring und Schreier zugespitzte Wortgefechte lieferten.
Insofern erlebten die Jugendlichen einen politischen Morgen mit Argumenten, Inhalten, persönlichen Statements und politmathematischen Gleichungen. Abschliessend lässt sich hoffen, dass im Anschluss an die Podiumdiskussion die wichtigste Gleichung zum Tragen kommen wird: Demokratie gleich Partizipation gleich Abstimmen. Stichtag ist der 24. November.
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