Analog und digital

von Franziska Hofer (Foto: Nu)

Ein Schüler der Klasse 3IL zeigt seinen Kolleginnen und Kollegen im BG-Unterricht an einem Laptop den Stand seiner Arbeit zum Thema „Ornamentbild“. Es ist digital gezeichnet mit dem Programm Illustrator mithilfe von Buntstift, Rechteckwerkzeug, Pinsel, Liniensegmenten, Füllwerkzeugen, Farben, Transparenzen und Konturen. Im Hintergrund sehen wir analoge grossformatige Kohlezeichnungen von Strassenzügen, die in ein spezielles Licht getaucht erscheinen. Grösser könnte der Gegensatz wohl kaum sein: Hier die auratische Zeichnung, mit grosser Geste und unverwechselbarer Handschrift entstanden, dort die perfekt gezogenen Linien und Flächen, mit der Maus oder auf dem Tablet gezeichnet, präzise berechnet mit Hilfe von Algorithmen.

Was für mich als Lehrerin für Bildnerisches Gestalten – welche ihre schriftliche Kunstgeschichtsarbeit sowie die ersten Arbeitsblätter auf der SWISSA-Schreibmaschine tippte – vor 25 Jahren noch undenkbar erschienen wäre, ist heute Alltag geworden. Wir fotografieren digital, bearbeiten mit Photoshop, zeichnen mit Illustrator und gestalten Flyer und Einladungen sowie den ENTFALTER mit InDesign.

An der FMS gibt es im Profil Kunst ein eigenes Fach „Gestalten am Computer“, regelmässig bieten wir erfolgreich Wahlkurse zum Thema digitale Gestaltung an und die meisten Klassen im Wahlpflichtfach BG werden während ihrer Gymnasialzeit im regulären Unterricht mit dem Thema Digitalfotografie oder einer Zeichenprogrammaufgabe konfrontiert.

Die digitalen Zeichenprogramme, aber auch Bildbearbeitungsprogramme, bedienen sich für das Vokabular ihrer Funktionen und Bezeichnungen ganz im analogen künstlerischen Bereich: Borstenpinsel, Radiergummi, Buntstift, Ellipsenwerkzeug, Abwedler, Farbpalette, Arbeitsfläche; nur dass dabei ein weniger auratisches, dafür beliebig multiplizierbares Resultat entsteht als beim richtigen Malen, Zeichnen oder Skulptieren. Und deshalb hat beides seinen Platz und werden wir niemals die real existierenden Farbtuben, Kohlestifte und Knetgummis gegen digitale eintauschen: Dafür ist das sinnliche Erlebnis – der Geruch der Farbe, das Kratzen der Feder, die raue Papieroberfläche – zu schön und kostbar. Das Gestalten am Computer bietet andere Erlebnisse, etwa das Staunen darüber, wie schnell man mit ein paar Mausklicks eine ganze Zeichnung in eine andere Farbe tauchen kann.

Und so konkurrenzieren sich diese beiden Möglichkeiten des Gestaltens nicht wirklich, sondern sie können sich im Idealfall aufs Wunderbarste ergänzen.