Von Fussballstars, Guerillakämpfern und Gitarrenhelden

 

von Philipp Stolz, 3Wa

Vor ungefähr zehn Jahren gab es für mich keinen Menschen, der mich mehr beeindruckte, als David Beckham. Der Flankengott aus Grossbritannien war für mich ein Held. Seine fussballerischen Fertigkeiten, seine Popularität und sein selbstbewusstes Auftreten beeindruckten mich schwer. Zu dieser Zeit war es persönliche Pflicht, ein Trikot mit Beckhams Namen zu tragen, meine Haare mit einer Tube Gel zu einem Irokesen zu kleben und auf dem Rasen Freistösse zu trainieren. Der Brite war für mich ein Held, das Bestreben, wie er zu sein, motivierte mich, meine fussballerischen Fertigkeiten in zeitaufwändiger Arbeit zu verbessern. Die Jahre vergingen und der Fussball machte nach und nach einer anderen Leidenschaft den Platz im Zentrum meines Weltbildes frei: der Musik. Ich fand grossen Gefallen an den legendären Gitarrenhelden der 60er- und 70er-Jahre. Die Verehrung von Virtuosen wie Page, Clapton, Knopfler oder Stevie Ray Vaughan trieb mich so weit, dass ich meine Eltern dazu zwang, mir Gitarrenstunden zu finanzieren. Mit der Entdeckung der 60er und 70er stiess ich auch auf das Thema Politik. Politische Strömungen wie die 68er-Bewegung faszinierten mich und hinterliessen einen bleibenden Eindruck. Mir gefiel die rebellische Haltung der Studenten, so wie mir Freiheitskämpfer wie Castro und Guevara zusagten.

Nehme ich mir heute Zeit und überlege, wer meine Vorbilder sind, so fällt es mir herzlich schwer, eine präzise Antwort auf diese Frage zu finden. Vorbilder und Ideale sind für mich Personen, die Werte vertreten, welche ich als wichtig und richtig ansehe. Doch suche ich mir überhaupt selbst meine Ideale aus? Oder ist dafür jemand anderes verantwortlich? Waren es meine Eltern, die mir ihre Wertvorstellungen einlössten? Und wenn dem so ist, wer bin dann ich? Bin ich im Endeffekt nur eine Mischung der Ansichten verschiedener Personen, die mich mein Leben lang begleitet haben? Wahrscheinlich ist es die Wahrheit, dass ich ein Produkt der Umwelteinflüsse bin, welche all die Jahre auf meinen Geist eingewirkt haben, seit denen ich Teil dieser Welt bin. Meine Erziehung bildet das Fundament meines Denkens. Nun, da ich langsam das Alter eines erwachsenen Menschen zu erreichen drohe, fühle ich mich dazu verpflichtet, meine alten Idole zu kritisieren. Ich habe keine Lust, ein Abklatsch meines Umfeldes zu sein, ich möchte meine eigene Meinung haben. Ob sich diese von derjenigen meiner Eltern oder Geschwister oder jener meiner Lehrer unterscheiden wird, ist nicht von Belang. Das Wichtige ist, dass es meine persönliche Meinung ist. Ich will mir selbst klarmachen, welche Werte ich als vertretbar sehe. Es liegt nicht mehr an meinen ehemaligen Vorbildern, mir eine Ansicht zu vermitteln, ich bin derjenige, der zum Vorbild werden muss. Darin sehe ich die Essenz des sogenannten Erwachsenwerdens.

Vorbilder können für die Entwicklung eines Menschen auch negativ sein. Hält sich ein Mensch krankhaft an seinem Idol fest und versucht, mit einer wahnsinnigen Manie dieses zu kopieren, so kommt es zu einem Entwicklungsstillstand. Ich behaupte, wer blind einem Vorbild folgt, der errichtet eine Blockade gegen das geistige Wachstum. Deshalb ist es essenziell, dass jeder Mensch die Handlungen seines Vorbilds reflektiert und mit seiner eigenen Vorstellung von richtigem Handeln vergleicht.

Sollte ich je das Glück haben, der Vater eines Kindes zu sein, so würde ich zwar alles tun, was in meiner Macht stünde, um ihm ein Vorbild zu sein, doch erst richtig begeistert wäre ich dann, wenn es sich nach einer gewissen Zeit seine eigenen Gedanken machen würde, wenn es langsam zu verstehen lernen würde, dass es sein eigenes Vorbild ist – und nicht mehr ich.