
von Yvonne Spaar
Geschichten beeinflussen, wie wir uns ausdrücken sprechen. Viele Begriffe, die den Weg in unseren Wortschatz gefunden haben, stammen aus Romanen, Erzählungen, Mythen und Legenden. Einige Beispiele haben wir in diesem Blog Post für euch gesammelt.
„Heureka!“ – Das soll der Mathematiker Archimedes laut ausgerufen haben, als er das nach ihm benannte Archimedische Prinzip entdeckt hatte. Der überlieferten Anekdote zufolge wollte der König Hieron II. von Syrakus wissen, ob seine Krone wirklich aus reinem Gold war. Er bat Archimedes den Goldgehalt seiner Krone zu überprüfen. Die Lösung zu finden war nicht einfach, da er die Krone nicht zerstören durfte. Beim Baden bemerkte Archimedes, dass das Badewasser, welches über den Rand schwappte, genau dem seines Körpervolumens entsprach und hatte somit die Lösung gefunden. Begeistert rannte er nackt durch Syrakus und rief laut: „Ich hab’s!“ oder eben in Altgriechisch „Heureka!“. Es überprüfte den Goldgehalt der Krone, indem er nacheinander sowohl die Krone als auch einen gleichschweren Goldbarren in ein bis zum Rand mit Wasser gefülltes Becken tauchte. Er mass jeweils die Menge des übergeschwappten Wassers. Er fand heraus, dass die Krone nicht aus reinem Gold sein konnte, da sie mehr Wasser verdrängte als der gleichschwere Goldbarren. Somit ist die Krone voluminöser und musste daher aus einem Material mit einer geringeren Dicht als reines Gold bestehen. Und auch heute verwenden wir den Begriff noch, um Begeisterung auszudrücken, wenn wir ein schwieriges Problem gelöst haben.

Der Ausdruck „Odyssee“ ist sicherlich vielen bekannt. Er ist auf das gleichnamige Epos von Homer aus dem 8. Jh. v. Chr. zurückzuführen. Der Dichter berichtet darin von der abenteuerlichen Heimfahrt des Odysseus, dem cleveren Krieger, der unter anderem im trojanischen Krieg die Idee mit dem Holzpferd hatte. Nach Kriegsende begab sich Odysseus auf die Heimreise. Diese gestaltet sich aber als eine lange Irrfahrt mit vielen Zwischenfällen und Unglücken. Einige davon waren selbstverschuldet und andere sind auf den Zorn des Wassergotts Poseidons zurückzuführen, da Odysseus seinen Sohn Polyphem geblendet hat. Erst nach zehn Jahren kam er wieder zu Hause in Ithaka bei seiner Familie an. Eine Odyssee ist somit eine lange und beschwerliche Reise.
Das Wort „Hiobsbotschaft“ bedeutet Unglücksbotschaft oder Schreckensnachricht und stammt aus einer biblischen Erzählung. In der Geschichte wird der wohlhabende Hiob als fromm und gottesfürchtig beschrieben. Satan behauptet gegenüber Gott, dass Hiob nur so fromm sei, da er ein angenehmes Leben führe. Gott gestattet Satan Hiobs Glaube auf die Probe zu stellen. Daraufhin suchen ihn Leid und Verlust heim. Er verliert seine Kinder und er selbst wird von einem Geschwür befallen. Dennoch ist sein Glaube an Gott weiterhin ungebrochen. Dafür wird Hiob schlussendlich von Gott reich belohnt: weil er trotz seines Leidens Gott die Treue hielt, heilt Gott ihn von seiner Krankheit und segnet sein weiteres Leben mit Wohlstand und Reichtum.

Auch Shakespeare begegnen wir in unserem sprachlichen Alltag immer wieder. Als einer der wichtigsten englischen Autoren hat besonders sein Werk Hamlet einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sätze des Theaterstücks haben sich über die Jahrhunderte hinweg in unserer Sprache verankert: „Sein oder Nichtsein“, „Es ist was faul im Staate Dänemark“ oder „Der Rest ist Schweigen“ sind zu Redewendungen geworden, die wir heute gebrauchen. Aber nicht nur das, auch dreitausend Wörter haben dank Shakespeare den Weg in die englische Sprache gefunden. Im Jahr 1755 erschien das ersten Wörterbuch Dictionary of the English Language von Samuel Johnson und kein Schriftsteller ist so oft zitiert wie er. Im Theaterstück Heinrich V zum Beispiel sind die Wörter „dishearten“, „divest“, „addiction“, „motionless“ und „leapfrog“ zum ersten Mal verwendet worden.

Ein berühmtes Beispiel im deutschen Sprachraum ist Johann Wolfgang von Goethe. Von seiner Literatur inspiriert sind die Ausdrücke der „Werther-Effekt“ und die „Gretchenfrage“. Der Werther-Effekt beschreibt das vermehrte Auftreten von Suiziden nach der Veröffentlichung des Romans Die Leiden des jungen Werthers im Jahr 1774. Die Hauptfigur Werther ist unglücklich in Lotte verliebt. Sie ist mit einem anderen Mann verlobt und daher werden sie nie zusammen sein können. Aus diesem Grund begeht Werther am Schluss Selbstmord. Junge Männer konnten sich so sehr mit der Hauptfigur identifizieren, dass dies zu zahlreichen Nachahmungen führte. Die Gretchenfrage stammt aus der Tragödie Faust I. Ursprünglich meinte sie die religiöse Orientierung einer Person, da Gretchen die Hauptfigur Heinrich fragt, wie er es mit der Religion hat. Heutzutage meint sie eine sehr direkte Frage, die die Absichten des Gefragten aufdecken soll. Sie ist dem Gefragten unangenehm, da er zwar die Antwort kennt, er jedoch mit dem Beantworten zu einem Bekenntnis gezwungen wird, das er bisher nicht ablegen wollte.
Es gibt weltweit genau einen Feiertag, der einem Roman gewidmet ist: „Bloomsday“. Dieser geht auf James Joyce und dessen Werk Ulysses zurück. Namensgeber für den Tag ist die Hauptfigur des Romans, Leopold Bloom. Die Handlung des Romans spielt in Dublin und beschreibt die Ereignisse eines einzigen Tages, nämlich des 16. Juni 1904. Im Jahr 1954 wurde erstmals offiziell an diesem Tag der Bloomsday gefeiert. Obwohl er kein gesetzlicher Feiertag ist, werden in Dublin jährlich Veranstaltungen zu Ehren von Joyce und seinem Roman organisiert. Leserinnen, Leser und Fans suchen die Orte des fiktiven Geschehens auf, an denen dessen Hauptfigur bestimmte Dinge tut oder erlebt, wie zum Beispiel einen Ausflug auf den Glasnevin Friedhof machen, die Nationalbibliothek und das Ormond Hotel besuchen und zum Schluss noch einen Drink in Davy Byrnes Pub geniessen.
Die Literatur kann sogar bei den ganz grossen Fragen des Lebens weiterhelfen zum Beispiel bei der Frage nach dem Sinn des Lebens. In Douglas Adams Roman Per Anhalter durch die Galaxis wird diese Frage von einem Supercomputer nach einigen Millionen Jahren Rechenzeit beantwortet. Herauskommt eine faszinierende Antwort. Das Buch hatte einen solch grossen Einfluss, dass sie heute als allgemein gültige Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ gilt. Sie ist gar so einflussreich, dass Siri sie als eine mögliche Antwort gibt, wenn sie nach dem Sinn des Lebens gefragt wird. Fragt mal bei Siri nach!
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