Team-Tanz mit dem Ball

Ein vom Sportvirus fast gänzlich Geheilter nimmt die Kriegacker-Sporthalle in Augenschein, wo flinke Hände Bälle rhythmisch prellen und der Schweiss von hohen Stirnen tropft. Wir erleben das Basketball-Weihnachtsturnier, die Mittelschulmeisterschaft beider Basel.
Von Daniel Nussbaumer (Fotos: Adrian Marbacher, Sina Stadelmann und Daniel Nussbaumer)

Gummisohlen quietschen, Stimmen rufen „Defence, defence!“, Bälle klatschen auf den Boden. Schon das Ohr nimmt wahr: Der Advent beginnt für die Fachschaft Sport und für die angereisten Teams aus Baselland und aus der Stadt nicht mit besinnlichem Kerzenlicht, sondern mit Action, Ausdauer und Anstrengung. Das Auge sieht die Bewegung und meldet dem Hirn eine schnelle Verschlusszeit für die Kamera. Das Gelb und das Rot der Kriegacker-Sporthalle in Muttenz signalisieren die Leidenschaft für den Wettkampf, in dem sich heute neun Herrenteams und sechs Damenteams messen.

„Gerade hätten wir besser spielen können“, sagt Natalia Kujawa vom Damenteam Gym Muttenz. „Am Schluss war dann Gleichstand.“ Sie selber sei das erste Mal dabei und es mache ihr Spass. Und was macht eine gute Basketball-Spielerin aus? „Eine gute Basketball-Spielerin ist eine Teamplayerin!“

Legenden der Entstehung

So nimmt das bikantonale Turnier seinen Lauf. Es spielen alle sechs Damenteams gegeneinander und sammeln Punkte. Die Herrenteams spielen in zwei Gruppen um die Qualifikation für die Finalrunde. Sie tragen ein Halbfinal, ein Spiel um den dritten Platz und ein Finalspiel aus. Angetreten sind aber nicht nur die Sportlerinnen und Sportler selber, sondern die gesamte Sportfachschaft des Gym Muttenz. Alle Sportlehrpersonen stehen im Einsatz, um das Turnier durchzuführen: beim Aufstellen, beim Zählen und Notieren der Punkte, beim Betreuen der Gäste und Ansagen der Spiele. Das Muttenzer Damenteam wird gecoacht von Adi Marbacher, das Herrenteam von Ramon Morf. Einer hat alles organisiert: Ramon Morf. Er rätselt mit seinen Kollegen über der Frage, wann das Weihnachts-Basketballturnier zum ersten Mal durchgeführt wurde. Er selber hat als Schüler des Gym Muttenz schon daran teilgenommen. «Aber wann das zum ersten Mal stattfand, das müssten wir jetzt einen unserer Silberrücken fragen.» Und dann kommt so einer daher: Camille Heckendorn, seit einigen Jahren pensioniert, Mentor vieler Sportlehrpersonen. Wer, wenn nicht er, kann das wissen? «Oh, da muss ich jetzt überlegen!», sagt der bekennende Basketball-for-Breakfast-Fan. «Als ich in den frühen 80er-Jahren hier zu unterrichten begann, gab es dieses Turnier auch schon. Es muss Ende der 70er-Jahre entstanden sein!» So ist es wie bei der Frage nach dem Huhn und dem Ei: Haben unsere Spieler-Legenden dieses Turnier erst zu dem gemacht, was es ist? Nämlich zu einem sportlichen und sozialen Vernetzungs-Event der beiden Kantone BL und BS. Oder hat dieses Turnier unsere sportlichen Schüler*innen überhaupt erst zu den sogenannten Legenden geformt, die gerne zurückkommen ans Gym Muttenz, um sich erneut in der Halle zu duellieren? Das Turnier war in seinen Anfängen auf jeden Fall trinational. Es war auch jeweils ein Team aus Saint Louis und aus Lörrach dabei. Im Zusammenhang mit den vorweihnachtlichen Jugendunruhen in Frankreich gab es dann aber Probleme: „Die Franzosen sind hier mit Schlägertrupps aufgetaucht, und so konnten wir sie nicht mehr einladen“, erinnert sich Heckendorn. Später sind die Deutschen ausgestiegen. Das Turnier fand aber weiterhin statt und wurde mit der Zeit zur Mittelschulmeisterschaft der beiden Basel. Somit verliert sich die Spur der Entstehung im Bereich der Mythen und Legenden und das Gespräch dreht sich um die Frage, was einen guten Basketball-Spieler ausmacht. Nebst der Teamfähigkeit nennt Heckendorn auch sportliche Eigenschaften, wie Schnelligkeit, Koordination, Lockerheit und Spielwitz: «Wenn ein Schiedsrichter das Geschehen im Griff hat, dann läuft alles fair ab. Gute Spieler beherrschen Rhythmuswechsel. Man kann sagen, Basketball hat etwas Tänzerisches. Es braucht eine gewisse Lockerheit. Man gönnt dem Gegner auch mal mit einem anerkennenden Schmunzeln, dass er einen ausgetrickst hat.»

Das Drama des kleinen Finals

Aber auch im Basketball wird gefightet. So klingt der Coach des Münchensteiner Damenteams: 

„Chömet, dra bliibe! – Eifachi Päss! – Seraina, du dörfsch kei Foul me mache! – Zrugg, zrugg, sitwärts! Jäwoll, schön dra bliibe, Laura! – Evelyn, wächsle! – Nomol Rebound! – Sehr schön! Schön gsi, Laura, schön verteidigt! – Dir händ Zit, dir händ Zit! – Hälfe, hälfe! Das isch die letschti Minute, guet verteidige!

Der Eifer der Münchensteinerinnen zahlt sich mit dem Turniersieg aus. Sie sammeln im Wettkampf gegen die anderen fünf Teams am meisten Punkte. Das Damenteam Muttenz hat ebenfalls sehr gut gespielt und erzielt den zweiten Platz.

Bei den Herren spitzt sich mittlerweile die Entscheidung dramatisch zu. Die städtischen Teams der Gymnasien Kirschgarten, Münsterplatz und des Wirtschaftsgymnasiums sowie der FMS Basel sind ausgeschieden. Das Muttenzer Herrenteam verpasst nach einem äusserst spannenden Spiel gegen Liestal den Einzug ins Final. Chris Zoller, Trainer des Liestaler Teams, klopft seinem ehemaligen Lehrer Ramon Morf altväterlich und tröstend auf die Schulter: «Das war knapp, gell!» Das Finale werden Oberwil und Liestal bestreiten.

Zuerst aber spielen Muttenz und der letztjährige Turniersieger Münchenstein um den dritten Platz. Morf versammelt sein Team und schwört es mit letzten, geheimen Worten auf das kleine Finale ein. 

Die Stimmung ist leidenschaftlich und fair. Auf der Tribüne fiebern die Fans mit und am Spielfeldrand feuern die Muttenzer Sportlehrpersonen die eigene Mannschaft an. Der Ball fliegt durch die Luft, der Ball klatscht auf den Boden, der Ball wird in den Muttenzer Korb gehoben, dann zappelt er wieder im Münchensteiner Netz. „Dra bliibe! Rebound! Defence!“ Kurz vor Schluss zeigt die Tafel gleich viele Punkte für Muttenz und Münchenstein. Muttenz 12 nimmt Anlauf und stürmt heran, versucht den Buzzer Beater, den alles entscheidenen Wurf kurz vor der Schluss-Sirene. Er springt hoch, der Ball liegt in seiner erhobenen Rechten, Adis Canon klickt und schiesst das Titelfoto dieses Beitrags. Muttenz 12 schickt den Ball in Richtung Korb, aber der Wurf geht fehl. Die Sirene ertönt. Es steht immer noch 13:13. „Hast du die Dramatik verstanden, Dani? HAST DU SIE VERSTANDEN?“, ruft Adi Marbacher. Ja, gewiss. Hätte Muttenz 12 den Ball versenkt, wäre der Sack zu gewesen, das Team Muttenz wäre Dritter geworden. Aber was ist das? Da war ein Foul! Muttenz 12 bekommt einen Freiwurf nach Ablauf der Zeit. Wenn der reingeht, gewinnt das Team Muttenz und erreicht den dritten Platz.

Muttenz 12 hält den Ball in seinen Händen, Muttenz 12 duckt sich leicht und lässt den Ball zweimal aufhüpfen, Muttenz 12 streckt sich, der Ball liegt mehr auf der rechten Hand, die linke begleitet ihn eher, bis er sich lösen muss und hochfliegt. Es wird still auf der Tribüne und am Spielfeldrand. Alle schauen dem Ball nach, halten ihn in Gedanken auf der Bahn oder hexen ihn weg. Der Ball leitet den Sinkflug Richtung Korb ein. Jeder Atem stockt. Von rechts vorne wieder das Klicken von Adis Canon, von unten das Klackern der Tastatur, die diese Buchstaben schreibt. Ein metallisches Knallen ertönt – daneben! Es folgen zwei Minuten Verlängerung. Schnell bekommt Münchenstein einen Freiwurf. Aber Münchenstein trifft auch nicht. Ein Muttenzer Angriff scheitert ebenso. Münchenstein versucht zweimal vergeblich einen Dreipunktewurf. Muttenz ist wieder am Zug, aber der Ball lässt sich nicht eintüten. Die Verlängerung endet ergebnislos und es kommt die Regel des Golden Goals zur Anwendung: Der nächste Treffer beendet das Spiel und entscheidet über Sieg und Niederlage. Dem letztjährigen Turniersieger Münchenstein gelingt der goldene Korb beim ersten Angriff. Muttenz muss sich mit dem vierten Platz begnügen.

Salsa mit dem Ball

Jetzt beginnt das Finalspiel. Und das ist schnell erzählt: Liestal ist eine Klasse für sich und gönnt den Oberwilern in der ganzen Partie nur einen einzigen Treffer. Die Oberbaselbieter tanzen die Leimentaler gnadenlos aus. Da ist Liestal 5. Liestal 5 trägt unter seinem Tenue lange Hosen und Ärmel. Er ist bis jetzt noch nicht ins Schwitzen gekommen. Liestal 5 gleitet daher. Seine Hand streichelt den Ball an seinem Umkehrpunkt im Zenit fast schon zärtlich, dirigiert ihn aber bestimmt. Der Ball wird weiblich, ist nun eine Salsatänzerin, die geschmeidig hinter seinem Rücken durchzuziehen scheint, die alle Blicke auf sich zieht, aber täuscht und dann doch wieder auf ersten Seite hervorwirbelt. Plötzlich wird sie wieder männlich, wird wieder zum Ball – nein! Liestal 5 und der Ball sind sächlich, sind ein Geschoss, das loszuckt und alles durchbricht, bis sich beide voneinander lösen und der Ball ins Netz brennt! „Das ist eben der Unterschied“, lautet Marbachers Kommentar. „Liestal 5 spielt in der Nati A.“ Oberwil kann nur noch zuschauen und lernen. Zum Schluss steht es 12:2. 

Vernetzung und Teamspirit

Bei der Siegerehrung dankt Walti Käch als Speaker des Turniers allen Helfenden sowie den Schiedsrichtern und natürlich auch den Sportlerinnen und Sportlern. Die beiden Wanderpokale stehen bereit. Julia Freiermuth überreicht einen dem Münchensteiner Damenteam und einen dem Liestaler Herrenteam. Das Damenteam Muttenz belegt den zweiten Platz, das Herrenteam den vierten. Der Applaus ist herzlich, kommt von allen und gilt für alle. Die Teams bekommen einen Snack, machen Gruppenfotos und strömen zu den Garderoben.

Während in der Sporthalle das letzte Licht verglüht und sich der Dunst aus körperlicher Anstrengung verflüchtigt, geniesst die ganze Fachschaft Sport des Gym Muttenz im Fachschaftszimmer mit den Coaches der Gastmannschaften ein Kaltgetränk, gebraut oder gekeltert aus natürlich gewachsenen Zutaten. Ein Happen, um den ersten Hunger zu stillen, steht auch bereit. Ramon Morf bedankt sich bei allen fürs Engagement und bekommt Applaus für seine Organisationsarbeit. Muttenz stellt fest, dass Chris Zoller das Turnier schon zweimal gewonnen hat, damals als Schüler für das Gym Muttenz und heute als Coach für das Gym Liestal. Mit einem Augenzwinkern bedauert Morf den Braindrain nach Liestal. Da ist es eben wieder: das Schmunzeln, wenn dem Gegner ein besonders smarter Move gelungen ist. Das Weihnachtsturnier 2022 ist vorbei und die Gäste gehen. Die Fachschaft Sport des Gym Muttenz lässt den Abend mit einem Weihnachtsessen ausklingen.


Die Mittelschulmeisterschaften

Das Weihnachts-Basketballturnier ist nur eine solche Mittelschulmeisterschaft unter mehreren, die jährlich stattfinden. Die Vernetzung wächst auch über die Kantonsgrenze hinweg kontinuierlich mit den persönlichen Beziehungen und Freundschaften, die bei solchen Turnieren entstehen und gepflegt werden. Die Wettkämpfe sind verteilt auf die verschiedenen Schulstandorte.

Basel Leichtathletik Gymnasiade: Patricia Birrer (Organisation/Damen) und Adi Marbacher (Herren)
Muttenz Basketball: Adi Marbacher (Organisation/Damen) Ramon Morf (Organisation/Herren)
Münchenstein Hallenfussball: Adi Marbacher (Herren) Andrea Käch (Damen)
Laufen Volleyball: Heinz Altwegg (Herren) Patricia Birrer (Damen)
Liestal Unihockey: Beni Grossmann (Herren) Walter Käch (Damen)
Oberwil Rasenfussball: Adi Marbacher (Herren) Andrea Käch (Damen)