von Brigitte Jäggi, Rektorin
FC Basel gegen FC St. Gallen. Letztes Spiel der Saison. In der 58. Minute reagiert Trainer Sousa und nimmt Davide Callà vom Feld. Anstelle von Callà kommt Breel Embolo aufs Spielfeld und „dieser sorgt gleich für Betrieb“. Folglich hat der Trainer mit diesem Spieleraustausch das Richtige getan, er hat durch den Austausch wieder Bewegung ins Spiel gebracht.
Der Austausch diente in diesem Fall der Optimierung einer Situation, doch das Spektrum ist viel umfassender, als es das alltägliche Fussballbeispiel suggeriert.
Selbstverständlich kommt eine Schule nicht darum herum, das Lernen als Austausch zu beschreiben: Schülerinnen und Schüler beobachten ein chemisches Experiment, bei welchem sich der Lackmusstreifen bei einer Lösung rot und bei einer andern blau verfärbt. Die Lehrperson erklärt, dass damit eine Säure oder eine Base identifiziert werden kann.
Diese anschauliche Vermittlung setzt im Gehirn des Lernenden dann – im Idealfall – Neurotransmitter frei, welche schliesslich zur Gedächtnisbildung führen. Im stetigen Austausch der Neurotransmitter verfestigen sich diese Lerninhalte in Gedächtnisnetzen.
Ob im Fussball, beim Lernen oder im zwischenmenschlichen Bereich: Die Entstehung von Leben und das Leben selbst wäre ohne Austausch nicht möglich. Und wo der Austausch versperrt wird, findet dieser oft faszinierende Möglichkeiten, die Barriere zu überwinden:
Der 43-jährige Jean-Dominique Bauby erleidet einen Schlaganfall, dieser lähmt ihn vollständig und macht ihn stumm. Er leidet am Locked-in-Syndrom. Der einzige Weg, sich mit der Aussenwelt auszutauschen, ist nur möglich, weil er wenigstens noch sein linkes Augenlid bewegen kann. Diese in unserem Alltag nur situative Art der Kommunikation wird für Bauby zu einer mächtigen Brücke zwischen sich und der Aussenwelt. Sie befähigt ihn soweit, dass er blinzelnd seine Autobiographie „schreiben“ kann.
Was wäre aus Bauby ohne sein Blinzeln geworden? Wahrscheinlich hätte seine Psyche Schaden genommen. Denn Bauby war trotz seines Schlaganfalls bei vollem Bewusstsein. Er konnte hören, aber erst mit dem Blinzeln wurde aus dem einseitigen Wahrnehmen wirkliche Kommunikation. Austausch eben.