Ego-Optimierung versus Weltverbesserung?

von Brigitte Jäggi, Rektorin

Vielen Menschen gefällt ihr Spiegelbild nicht. Ihnen genügt offenbar nicht, was ihnen von der Natur mitgegeben wurde. Und was kann man dann tun? Optimieren! Muskeln lassen sich aufbauen, ohne oder eher mit Präparaten, aber auch Lippen lassen sich aufbauen – mit Implantaten. Einige sind auch nicht zufrieden mit ihrem intellektuellen Leistungsvermögen – also steigern sie ihre Konzentration und Denkfähigkeit durch Hirndoping.

Der Drang zur Verbesserung der gegebenen Lebensumstände ist im Grunde ein positives Phänomen: Wäre er nicht vorhanden, lebten wir noch auf den Bäumen oder wären längst ausgestorben. Daher: Ego-Optimierung ist urmenschlich.

Brigitte Jäggi (Foto: Nu)
Brigitte Jäggi (Foto: Nu)

Aber ist damit das menschliche Potential an Verbesserung ausgeschöpft? Gibt es nicht mehr zu tun, was über die eigene verschönerte Nasenspitze hinausreicht? Denken wir beim Spott-Preis des trendigen Kleidungsstücks an den Lohn der Näherin in Bangladesh? Wissen wir, dass in jedem Smartphone ein Stück Kinderarbeit steckt? Schmeckt uns umweltgerecht produzierte Nahrung nicht besser, auch wenn sie teurer ist?

Was für Fragen! Fragen, die nicht nur Jugendliche beschäftigen, sondern auch an unserer Schule thematisiert werden. Im Unterricht, in den interdisziplinären Projekten und im Selbstlernsemester werden diese und viele andere Fragen in ihrer ganzen Komplexität analysiert. Dabei geht es nicht darum, dass die Lehrperson den Lernenden alles präsentiert, sondern dass die Lernenden zu selbständigem Denken und eigenverantwortlichem Handeln befähigt werden.

Und niemand kann etwas dagegen haben, wenn diese Befähigung in der Summe aller Entscheidungen einen kleinen Beitrag zur Weltverbesserung leistet – mit aufgepumpten Muskeln und Lippen oder ohne.