Träume überwinden Grenzen

 

Unser Kammerchor hat mit seinem Gesang und mit seiner Teilnahme am Eurotreff, dem Internationalen Festival für junge Chöre in Wolfenbüttel, Grenzen überwunden. Petra Saner (Text) und Samuel Thiessen (Film, Fotos) nehmen uns hier im Blog noch einmal mit auf Achse und erzählen in Wort, Bild und Ton, wie die europäischen Jugendlichen zusammen träumen.

Mittwoch. Am Mittwoch, dem 6. September, macht sich der Kammerchor des Gymnasiums Muttenz früh morgens auf den Weg nach Wolfenbüttel, Deutschland. Nach acht Stunden Fahrt im Car und gelegentlichen Pausen an den Autobahnraststätten kommen wir am späten Nachmittag in der Jugendherberge der Landesmusikakademie Niedersachsen an und beziehen die Dreier- und Viererzimmer. Anlässlich des 18. Eurotreffs kommen während der fünf Tage insgesamt 700 Chorsingende aus 16 Chören aus elf verschiedenen Ländern und sieben renommierte Chorleiter aus der ganzen Welt zusammen, um sich durch Musik und Gesang sowohl kennenzulernen als auch auszutauschen. Das Festivalthema „Träume|Dreams“ hat die Chorleiter – jeden und jede auf eine einzigartige Weise – inspiriert und zum Träumen eingeladen. Einen kleinen Einblick in ihr Repertoire geben die Chöre beim Eröffnungskonzert am Mittwochabend. Von russischen Volksliedern über peppige Stücke mit spielerischen Choreographien bis zu traditionell finnischen Instrumenten, sogenannten Kantelen, die den lettischen Mädchenchor begleiten, begegnen uns mehrere Klänge und Kulturen Europas in einem einzigen Saal an einem einzigen Abend. Nach dem Konzert führt uns Naïma, die für uns zuständig ist während des Festivals, zu Fuss zurück in die Jugendherberge. Wir wählen den Fussweg, um unserem Busfahrern Uwe ausreichend Ruhe zu gewähren. Unterwegs singen wir ihr und allen, die zuzuhören wünschen, Lieder aus unserem Repertoire – und finden bereits einen Fan, welcher – ebenfalls auf dem Nachhauseweg – zu uns stösst und das Abendständchen im Dunkeln geniesst.

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Donnerstag. Der erste Morgen in der Jugendherberge beginnt mit Frühstück in der Jugendherberge, gefolgt von einer kurzen Fahrt zur Realschule Leibniz in Wolfenbüttel. Nach einem kurzen Einsingen und Anstimmen im Musikzimmer der Schule strömen um 10:20 Uhr die Siebtklässler in den Raum und nehmen erwartungsvoll hinter den Schulbänken Platz. Zwischen den Chorliedern stellen Tiziano Pedrocchi und Tobias Schaub den Kindern interaktiv die Schweiz vor: ihre ausgeprägten Dialekte sowie ihre Landessprachen und ihre musikalische Vielfalt. Mit einem rätoromanischen Schlaflied, einer französischen Liebeserklärung an die Alpennacht und einem Medley aus drei Liedern von Patent Ochsner, das unser Chorleiter Jürg Siegrist arrangiert hat, unterstreicht unsere Darbietung diese Vielfalt in der schweizerischen Musik.

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Nachmittags treffen wir uns zum ersten Mal mit den drei anderen Chören, mit welchen wir im Atelier in der Johanniskirche unter dem Dirigat der Chorleiterin Victoria Ely unseren Auftritt des Schlusskonzerts einüben würden. Das Arbeitstempo ist hoch gehalten, die Qualität geniesst erste Priorität. Nebst den Stücken, welche wir einstudieren, bringt Victoria viele Gesangs- und Spannungsübungen ein, gestaltet das Atelier mit spannenden Imputs – und erlaubt sich auf typisch britische Art den einen oder anderen Scherz. Der Nachmittag vergeht wie im Flug; kurz darauf nehmen wir unser kaltes Abendessen in einem Zelt bei der Jugendherberge ein und fahren mit dem Car zur Kirche Trinitatis in Wolfenbüttel. Die katholische Kirche erfüllt vor uns der Mädchenchor Riga mit träumerischen, uns fremden Klängen, Liedern und Kantelen. Auch wir gewähren der Audienz ein buntes Programm sowohl schweizerischer als auch anderer Lieder: insgesamt neun Stücke rund um das Träumen singen wir an jenem gelungenen Abend.

Freitag. Den Freitagmorgen und -nachmittag verbringen wir mit Proben im Atelier. Es gilt, die skizzierten Stücke zu festigen und zu perfektionieren. Das Resultat des Ateliers sind drei Chorstücke, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: ein post-romantisches Nachtlied, das Melancholie und Sehnsucht nach der Ferne weckt, ein irischer Folksong, welcher im Accelerando mitreisst, und ein modernes, episches Stück, dessen Intensität unter die Haut geht.

Den Abend haben wir frei zur Verfügung und beschliessen also, uns das Konzert des Mädchenchors Kivi und des Göttinger Knabenchors anzuhören. Der Mädchenchor Kivi beeindruckt mit seinem a cappella gesungenen und choreographierten Repertoire, und der Göttinger Knabenchor präsentiert ein vielfältiges Programm mit allerlei Stücken.

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Samstag. Das morgendliche Strassensingen in der gut erhaltenen Altstadt Wolfenbüttels fällt trotz zeitweiligen Regens nicht ins Wasser. Wir treten insgesamt dreimal auf, zu verschiedenen Zeiten auf verschiedenen Plätzen. Wir kommen zudem in den Genuss der Aufführungen von anderen Chören, wie derjenigen des spanischen Chors, welcher ebenfalls in unserer Jugendherberge untergebracht ist. Ausserdem begegnen wir wieder dem Göttinger Knabenchor – und werden von jenem sogar dazu eingeladen, bei den bereits vertrauten Stücken mitzusingen. Nach dem Knabenchor ist bereits unser letzter Auftritt geplant: Für drei Lieder hält das Wetter, doch beim vierten, einem französischen Volkslied, fällt der Regen erst fein, prasselt dann aber dicht auf unsere Köpfe; für zwei Wiederholungen reicht es knapp, bevor Herr Siegrist ruft: „Rennt!“ und wir in alle Richtungen davonstieben unter die Vordächer der Einkaufsläden.

Abends dann das Abschlusskonzert: Die sieben angereisten Chorleiter präsentieren den Zuhörern, den anderen Chorleitern und den Atelier-Gruppen das Ergebnis ihrer Workshops. Das Programm ist vielfältig, durchmischt, bewegt und vor allen Dingen interessant anzuhören. Es ist den Chorleitern gelungen, was von Anfang ihr Ziel gewesen war: die unterschiedlichen Chöre zu einem einzigen zu harmonisieren.

Sonntag. Zu schnell steht bereits der letzte Tag an, und es wird Zeit, die Koffer zu packen, die Zimmer zu räumen, von der Stadt und den anderen Chören Abschied zu nehmen. Um neun Uhr laden wir unser Gepäck in den Car und spazieren zur Johanniskirche, wo wir beim Gottesdienst singen. Der Priester spricht zufälligerweise von der Überwindung von Grenzen – seien diese Grenzen staatliche, kulturelle oder ethnologische. Seine Predigt widerspiegelt den Sinn des Eurotreffs – das Überwinden von Grenzen; der Austausch von Menschen und Kulturen; eher ein Interesse als Furcht vor dem Unbekannten – und dem Eurotreff ist dieses Zusammenführen gelungen, wenn auch nur im kleinen Rahmen.

Zufrieden, mit angeschlagenen Stimmen und den Erinnerungen der letzten fünf Tage in unseren Hinterköpfen treten wir nach Ende des Gottesdienstes die Heimreise an und erreichen um acht Uhr abends Muttenz.