von Céline Acklin (Fotos und Video: Nu)
16:30 Uhr: Basel vor der Martinskirche. Bepackt mit meinen Musiknoten und voller Vorfreude gehe ich auf den Eingang der Kirche zu, wo unser Konzert in einigen Stunden beginnt. Als ich die schwere, massive Holztüre öffne, bin ich einen kurzen Moment sprachlos. Die grossen Leuchter, die den ansonsten dunklen Raum erhellen, die hohe Decke und der Gesang des probenden Kammerchors machen die Stimmung perfekt. Innerlich bin ich ein bisschen stolz und freue mich, bald auf dieser Bühne stehen zu dürfen. Die letzten Aufbauarbeiten sind noch im Gange. Das Ganze nimmt langsam Gestalt an.
16:45 Uhr: Die Generalprobe beginnt. Herr Huldi, unser Chorleiter, begrüsst uns mit einem motivierten, zugleich auch fordernden Gesichtsausdruck.
17:30 Uhr: Langsam nervt das ständige Herumstehen und mein Hungergefühl wird immer grösser. Das Schielen auf mein Handy gibt mir die ernüchternde Gewissheit, dass es noch lange nichts wird mit einem kleinen Spaziergang zu McDonald’s.
18:45 Uhr: Während den letzten Minuten vor dem Auftritt verlangt uns Herr Huldi nochmals alles ab. Dann die ersehnte Pause vor dem „Sturm“.
19:25 Uhr: Einige Minuten später werden wir aufgefordert, uns in Richtung Bühne aufzumachen. Wir flüstern nur noch leise, tauschen letzte Worte aus. Die Spannung ist in der Luft fast greifbar. Dann klatscht das Publikum und mit ein wenig weichen Knien betrete ich die Bühne.
19:30 Uhr: Beginn des Konzertes und meiner Nervosität. Was wäre, wenn ich dazwischensingen oder vor allen über meine eigenen Füsse stolpern würde? Habe ich alles dabei? Die schlimmsten Szenarien spielen sich vor meinem inneren Auge ab. Doch das Klatschen der Zuschauer reisst mich aus meinem Alptraum.
19:32 Uhr, auf der Bühne: Ich bin überwältigt, wie viele Gesichter mir entgegenblicken und trotzdem: In der Kirche ist es unangenehm kalt. Doch ich bin nicht die Einzige, die friert. Um mich herum versuchen sich einige mit engumschlungenen Armen warm zu halten. Dann unser Einsatz. Ich werde von der guten Stimmung unseres „God Bless the Lord my Soul“ sofort mitgerissen. Ich bewege mich zu den Takten mit und vergesse alles um mich herum.
19:40 Uhr: Während wir dem nächsten Auftritt zuhören, verschaffe ich mir einen Überblick über das Publikum und mein Blick wandert zu den Zuschauerinnen und Zuschauern, auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht.
19:45 Uhr: Anfang der Best of`s 4M. Im Raum alles gespannte und konzentrierte Gesichter. Das Duo Samuel Thiessen und Anna Holm betritt die Bühne. Sanfte Klaviertöne und schöne Geigenklänge, die von dem berühmten Komponisten Franz Schubert stammen, erfüllen den Raum. Die Stimmung ist schön und ich tauche langsam in diese Welt ein. Ich bin begeistert und stelle mir meinen eigenen Auftritt in 2,5 Jahren vor.
Etwa 20:15 Uhr: Ich sitze in den hintersten Reihen der Kirche und lausche dem immer noch andauernden Konzert. Seit ich wieder sitze, spüre ich die Müdigkeit, welche zuvor durch die Aufregung unterdrückt wurde. Nur mit einem Ohr höre ich der Hebriden-Ouvertüre von Mendelssohn zu.
20:20 Uhr: Auftritt unseres Kammerchores: Mit einer eindrucksvollen Improvisation macht der Kammerchor seinem Namen alle Ehre. Auch Waldesnacht von Brahms kommt ihnen leicht über die Lippen, so als hätten sie nie etwas anderes gesungen. Fast vergesse ich die Notizen.
20:30 Uhr: Eine kurze Pause, in der alles ein bisschen schnell gehen muss. Alle wuseln durcheinander Ich trinke nochmals Wasser, denn der Gesang hat seine Spuren hinterlassen. Mein Hals kratzt, fühlt sich trocken und wund an.
20:35 Uhr: Auf dem harten Podestboden lausche ich dem Jugendsinfonie-Orchester. Die „Morgenstimmung“ in Griegs Peer Gynt-Suite fängt leise mit einer Querflöte an. Alle Augen sind nur auf sie gerichtet. Zu ihr gesellt sich eine Klarinette und langsam setzen auch die restlichen Instrumente ein, bis das ganze Orchester laut und hektisch „In der Halle des Bergkönigs“ angelangt ist, samt präzisem Triangel-Einsatz.
20:45 Uhr: Jetzt heisst es Endspurt und nochmals alles geben. Die grellen Scheinwerfer brennen auf uns herab. Noch ein letzter Ablaufcheck. Irgendetwas Spezielles, an das ich denken muss? Auf Kommando erhebt sich der ganze Chor. Das Orchester beginnt mit einem grossen Auftakt und ich tauche nochmals in die Fluten der Musik ab. „Und die Erde erbebte, das Meer erbrauste und nach dem Erdbeben kam ein Feuer“. Dieser Textausschnitt aus dem Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn beschreibt die Atmosphäre im Saal perfekt. Endlich können wir unser Können präsentieren, wir haben Blut und Wasser geschwitzt, Stunden investiert, jetzt wird unsere Mühe belohnt.
21:45 Uhr: Der tosende Applaus der Menge ist ein würdiges Ende des Konzertes. Alle strahlen um die Wette und nach mehrmaligem Verbeugen verlassen wir die Bühne. Ich bin noch lange berauscht von unserem unvergesslichen Abend.
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