„Ich bin nicht gefahren – das Auto war’s“

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von Flavia Manella (Fotos: Noemie Bachofner)

„Ich bin nicht gefahren – das Auto war’s“ – „Teslapilot hielt Anhänger für hohes Schild“ – „Tesla fährt Motorrad um – wegen Autopilot!“ – „Richter lässt Autopilot-Ausrede nicht gelten“

Diese Schlagzeilen aus den vergangenen zwei Jahren deuten darauf hin, dass mit zunehmender Technisierung und Verselbständigung der Autos neue Fragen nach der Strafbarkeit aufkommen. Wer ist schuld, wenn ein autonom fahrendes Auto einen Verkehrsunfall verursacht? Der Fahrer? Die Hersteller der Software?Am 20. September klärte uns Doktorand Alexander Schorro von der juristischen Fakultät Basel über die Herausforderungen auf, juristische Antworten auf die Haftungsfragen zu finden. Er hat 2007 am Gymnasium Muttenz die Matur abgelegt und inzwischen Jus studiert. In seiner Masterarbeit begann er sich mit diesem Thema zu befassen.

Eine entscheidende Frage ist jene nach dem Grad der Automatisierung, d.h., wieviel Verantwortung übernimmt das Auto überhaupt. Es gibt dabei 6 Stufen, von „Keine Unterstützung“ bis zu „fahrerlos“. In der Schweiz sind momentan nur die Stufen 0-2 im Verkehr und da gilt die Rechtslage: Der Fahrer muss das Fahrzeug jederzeit beherrschen bzw. jederzeit bereit sein, die volle Fahraufgabe zu übernehmen (sprich die Hände auf dem Lenkrad haben). Bei allfälligen Unfällen trifft den Fahrer dementsprechend die volle Verantwortung.

In der Zukunft allerdings, laut VW bereits im Jahre 2030, wird es Fahrzeuge geben, die sich vollkommen ohne menschliche Steuerung im Strassenverkehr fortbewegen können. Der Fahrer ist dann nicht mehr Fahrzeugführer, sondern Fahrzeugnutzer, resp. Passagier: Im voll autonomen Auto wird er gar keinen Einfluss mehr nehmen können, weil es keine Pedale und kein Lenkrad mehr geben wird. Wer ist dann strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn es einen Unfall gibt? Der Passagier kann mangels Handlungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Ausser: Wenn eben dieser Passagier vor der Nutzung einen Mangel erkennt und trotzdem einsteigt – dann wäre das Fahrzeug nicht betriebssicher. Somit könnte dem Nutzer, weil er ein nicht betriebssicheres und deshalb potenziell gefährliches Fahrzeug im Strassenverkehr benutzt, Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

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Für alle übrigen Fälle gibt es drei Möglichkeiten: 1. Die Haftungslücke wird durch mehr Verantwortung des Fahrzeughalters geschlossen. 2. Der Hersteller kann belangt werden, wenn er seinen Sorgfaltspflichten beim und nach dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs (Produktbeobachtungspflichten) nicht nachkommt. 3. Allfällige Dritte (bspw. Hacker) könnten in die Verantwortung genommen werden. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sehr interessiert und stellten viele Fragen – Was, wenn es doch noch irgendwo einen Notbremseknopf gäbe? Wäre dann weiterhin der Fahrer in der Verantwortung? Die Antwort des Experten war ein klares Ja.

So einen Notfallknopf gibt es übrigens schon beim autonomen Shuttlebus von Postauto in Sion. Wenn bei diesem der Notfallknopf betätigt wird, hält das Fahrzeug an und eine Person in der Zentrale muss den Bus ferngesteuert aus der problematischen Situation hinausmanövrieren.

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