Positive Erwartungen haben messbare Folgen

Professor Wolf Langewitz nimmt im Rahmen einer Mittagsveranstaltung der Kulturkommission die 140 anwesenden Schülerinnen und Schüler der FMS- und Maturabteilung mit auf eine spannende Reise zum Thema «Placebo – Nocebo».

von Christine Baader (Text) und Regina Bandi (Bilder)

Der Arzt und emeritierte Professor Wolf Langewitz ist Lehrbeauftragter der Universität Basel und beschäftigt sich seit Langem mit der Psychosomatik und der professionellen Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Er ist Mitherausgeber des Lehrbuch-Klassikers «Psychosomatische Medizin».

Wolf Langewitz befasst sich mit der Funktionsweise von «Placebo»- und «Nocebo»-Effekten. Dabei bezeichnet ein «Placebo» (von lat. placere = jemandem gefallen) eine Intervention, also ein Medikament oder einen Eingriff, die keine Wirkung auf den Körper entfaltet. Die Patienten nehmen sie aber positiv, also heilsam, wahr; anders beim «Nocebo» (von lat. nocere = schaden), dessen Wirkung als negativ oder nicht heilsam wahrgenommen wird. In der Forschung unterscheidet man echte Interventionen, ein chirurgisches oder medikamentöses «Verum», von «Placebo»- oder «Nocebo»-Interventionen und untersucht deren Effekte. Bei «Placebo»-Effekten spielen biologische und psychologische Mechanismen zusammen.

Anhand von verschiedenen Studien zeigt Wolf Langewitz, wie Placebos wirken. So überrascht, dass auch die Wirkung «echter» Medikamente einen Teil von Placebo-Effekten enthält. Und es gibt auch Placebo-Operationen, die dem Wohlbefinden der Patienten dienen: «Nur Reinschauen in den Bauch ist so wirksam wie das Durchtrennen von Verwachsungen.»

Heilung ist also ein komplexer Prozess, der auf verschiedenen Ebenen abläuft. Studien belegen, dass die Wirkung eines Placebos vom Krankheitsbild und vom Schweregrad der Beschwerden abhängt. Je stärker die Beschwerden sind, desto geringer ist jedoch der Effekt des Placebos. Ob ein Placebo wirkt, darüber entscheidet auch die Therapietreue der Patienten. Allerdings stellt sich dabei die Frage, ob Therapietreue generell mit gesundem Verhalten in Einklang steht und deswegen therapietreue Patienten einen grösseren Effekt zeigen.

Im nächsten Teil des Referates erläutert Wolf Langewitz, inwiefern ein Placebo wirkt. Anhand einer Studie mit Parkinson-Patienten wurde gezeigt, dass ein subjektives Besserungsgefühl mit einer Reaktion an Nervenzellen in einem Gebiet, das für Bewegungsstörungen verantwortlich ist, einher geht. Ein Beispiel von Asthma-Erkrankten deutet darauf hin, dass sich zwar dieses subjektive Wohlbefinden durch den Placebo-Effekt steigern lässt, gleichzeitig kommt es aber nicht zu einer Reduktion des messbaren Atemwegwiderstands. Das kann nur das echte Medikament, das Verum, leisten. Kaum eine Rolle spielen Placebo-Effekte dagegen bei Infektionen und Krankheiten, die durch genetische Veränderungen entstanden sind, wie beispielsweise Krebs. Sogar das Wohlbefinden von Tieren kann sich durch die Einnahme eines Placebos steigern, wenn Besitzer und Tierarzt von dessen Wirkung überzeugt sind – auch wenn es nicht zu einer tatsächlich messbaren Verbesserung der Symptome kommt.

Wie kann nun aber Placebo genutzt werden? Ein wichtiger Aspekt der Wirkung von Placebos ist die Zeit und Empathie, die ein Arzt einem Patienten entgegenbringt. Aus dem Referat geht klar hervor, dass die Placebo-Wirkung keinesfalls nur Einbildung ist, denn sie kann wissenschaftlich belegt und gemessen werden. Positive Erwartungen an das Medikament und positive Erfahrungen in der Therapie (Vertrauen, Zuwendung) haben biologisch messbare Effekte. Diese positiven Erfahrungen bedingen wiederum positive Erwartungen und diese erhöhen die analgetische, also die «echte» Wirkung von Medikamenten.

Das Thema des Referats ist bei den Anwesenden auf grosse Resonanz gestossen, sei es, weil sie künftig selbst Medizin studieren möchten, oder aus persönlichem Interesse. Nach Abschluss des Vortrags und grossem Applaus kamen einige spannende Fragen aus dem Publikum, beispielsweise, ob Apotheken oder Ärzte dem Patienten ohne dessen Wissen Placebo verkaufen dürfen, ob Placebo auch hilft, wenn man weiss, dass man «nur» Placebo einnimmt oder wie hilfreich es ist, Selbstheilungskräfte anzuregen. Der Referent nahm ausführlich und differenziert Stellung dazu.

Einmal mehr können wir auf eine hochkarätige, professionelle Veranstaltung zu einem komplexen Thema zurückschauen. Es ist Herr Langewitz gelungen, das Publikum mit grösster Aufmerksamkeit durch sein Referat zu führen.

Wolf Langewitz mit Christine Baader