Boom! Pow! & Wham! – Erzählen in Bildern

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von Yvonne Spaar

Die ‚‚Fantasy Basel – the Swiss Comic Con‘‘ findet dieses Jahr aufgrund des Coronavirus erst Mitte November statt. Als Überbrückung bis dahin widmen wir uns in diesem Blogbeitrag der Geschichte des Comics, welche auch etwas mit dem Monat Mai zu tun hat, genauer gesagt mit dem 5. Mai 1895. Dieses Datum gilt bei vielen als die Geburtsstunde des modernen Comics, wie wir ihn heute kennen. Doch was genau ist ein Comic?

In wenigen Worten gesagt, ist ein Comic sequenzielle Kunst, also Bilder in Abfolge. Der Comic-Künstler und -Theoretiker Scott McCloud präzisiert diese Definition:

„Zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen.”

Somit sind beim Comic im Gegensatz zu früheren Bildgeschichten wie z. B. Max und Moritz die Bilder ein essenzieller Bestandteil der Erzählform und dienen nicht nur als Ergänzung zum Text.

Aber zurück zum 5. Mai 1895. Dann beginnt die New Yorker Zeitung Sunday World mit der Veröffentlichung des Comics The Yellow Kid. Zu Anfang werden Comics als Sonntagsbeilage der Tageszeitungen veröffentlicht. Doch bald schon erscheinen sie auch in den täglichen Ausgaben, da sie sich grosser Beliebtheit bei den Leserinnen und Lesern erfreuen. Sie sind unter dem Namen funnies bekannt, was vor allem auf den unterhaltenden Inhalt hinweist. Ein weiteres wichtiges Datum in der Geschichte des Comics stellt der 07. Januar 1929 dar. Erstmals werden Buck Rogers und Tarzan publiziert. Sie zeigen eine neue, ernstere Seite des Comics und erweitern das Themenspektrum um Science-Fiction und Abenteuer. Die ersten eigenständigen Comic-Hefte werden ab den 1930er-Jahren veröffentlicht. Comics erreichen so nicht mehr länger nur das Zeitungspublikum, sondern können eine neue Leserschaft für sich begeistern: Kinder und Jugendliche.

1938 beginnt in der USA das sogenannte ‘Goldene Zeitalter’ der Comics mit der Veröffentlichung von Superman. Ein Riesenerfolg – die Verkaufszahlen schiessen in die Höhe und der Comic erfreut sich einer unglaublichen Beliebtheit. Weitere Superhelden-Comics wie Batman, Captain America und Wonder Woman folgen. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges werden Comics auch für Propagandazwecke eingesetzt. So vereitelt z. B. Captain America in letzter Minute Hitlers Vernichtungsschlag gegen die USA.

Dieses ‘Goldene Zeitalter’ endet jedoch 1954, als Frederic Wertham in seinem Buch „Seduction of the Innocent” die These aufstellt, dass Comics schlecht für Jugendliche seien, da sie diese zu Verbrechen anstiften würden. Aus Angst vor staatlichen Eingriffen und Regulierungen reagieren die Verlage darauf mit Selbstzensur. Sie führen den comics code ein, welcher Sex, Gewalt, vulgäre Sprache, Flüche und Drogen aus Comics verbannt und gründen mit der Comics Magazine Association of America (CMAA) eine freiwillige Selbstkontrolle, welche die Einhaltung des Codes überprüft und ein Gütesiegel vergibt. Comics ohne das Gütesiegel werden vom Markt genommen. Als Folge werden erfolgreiche Comic-Serien eingestellt, einige Verlage müssen schliessen und Comics werden nur noch als Unterhaltung für Kinder angesehen. Von dieser Situation profitieren die Disney-Comics, welche das Bild von Unschuld und Reinheit verbreiten.

In den 1968er-Jahren kommen die underground comics auf. Sie werden in Klein- und Selbstverlagen publiziert und versuchen den Comic von den aufgezwungenen Vorschriften des comics code loszureissen. Die Inhalte dieser Comics sind politischer, expliziter. Sie zeigen, was in den Mainstream-Publikationen nicht gezeigt werden darf, und sprechen dadurch ein erwachsenes Publikum an. Robert Crumb ist einer der bedeutendsten Künstler dieser underground comics, welche auch als „Comix“-Bewegung bekannt ist.

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1978 wird Ein Vertrag mit Gott von Will Eisner veröffentlicht, welche als erste graphic novel (dt. illustrierter Roman) gilt. Als graphic novel bezeichnet man Comics im Buchformat, die aufgrund ihrer erzählerischen Komplexität für ein erwachsenes Publikum gedacht sind. Ein Versuch, den Comic von seinem Ruf der „Kinderbildgeschichten” wegzubekommen und um zu zeigen, dass es sich um eine ernstzunehmende Literaturform handelt. Will Eisner ist der Namensgeber für den Eisner Award, welcher heute einer der wichtigsten amerikanischen Auszeichnungen für Comic-Schaffende ist und jährlich an der ‚‚San Diego Comic-Con International SDCC‘‘ verliehen wird. Im Jahr 1992 wird Art Spiegelman als erster Comic-Künstler mit dem renommierten Pulitzerpreis für Maus in der Kategorie Sonderpreis ausgezeichnet. Das Ansehen von Comics als Literaturform vergrössert sich so weiter.

In Europa gilt Belgien als Mutterland des Comics. Von 1929 an werden die Abenteuer von Tim und Struppiveröffentlicht, welche heute zu den bekanntesten und bedeutendsten Comics zählen. In Frankreich entwickelt sich eine relativ eigenständige Comic-Szene: Die beiden Helden Asterix und Obelix feiern ab 1961 grosse Erfolge. Das ‚‚Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême‘‘ findet seit 1974 statt und gilt als das bedeutendste Comicfestival in Europa. Dort wird der Grand Prix de la Ville d’Angoulême für das Lebenswerk eines Comickünstlers, für das Gesamtwerk oder für die historische Bedeutung für die Entwicklung des Comics verliehen. Preisträger sind unter anderem Will Eisner, Jaques Tardi und Art Spiegelman.

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Ab den 1990er-Jahren halten japanische Mangas Einzug in den deutschsprachigen Raum. Sie werden von hinten nach vorne und von rechts nach links gelesen. Sexualität und Identitätsfindung sind zentrale Themen in Mangas. Sie sind dafür bekannt, Gefühle in übertriebener Art und Weise dazustellen. Sailormoon und Pokémon sind äusserst populär und werden gleichzeitig als Mangas veröffentlicht wie auch im Fernsehen als Serie gezeigt.

Auch in der Schweiz gibt es eine sehr aktive Comic-Szene. Der in Zürich angesiedelte Verlag Edition Moderne publiziert Comics und Graphic Novels auf Deutsch. In der Edition Moderne sind neben internationalen Comickünstlern wie Emmanuel Guibert, Jacques Tardi und Joe Sacco auch Schweizer Künstlerinnen und Künstler wie Kati Rickenbach, Anna Sommer, Hannes Nüsseler und Thomas Ott erschienen. Das Comic-Magazin Strapazin hat auch in Zürich seinen Sitz. Es bietet vor allem unabhängigen Zeichnern eine Plattform und erscheint vier Mal pro Jahr. In Basel hat sich der Comix Shop als die Fachbuchhandlung etabliert und bietet eine grosse Auswahl an Comics, Mangas und Graphic Novels an. Das Comicfestivals ‚‚Fumetto‘‘ findet jährlich im Frühling in Luzern statt und hat sich zu einem der wichtigsten internationalen Comicfestivals in Europa mit rund 50’000 Besucherinnen und Besucher entwickelt.

Die aktuellen Comic-Superhits haben wir selbstverständlich auch in der Mediothek: Sabrina von Nick Drnaso ist einer davon. Dies ist die erste Graphic Novel, welche 2018 für den Booker Prize (wichtigster britischer Literaturpreis) nominiert wurde. Der französische Journalist Jérôme Tubiana erzählt in Guantanamo Kid die wahre Geschichte desMohammed El Gharani, welcher acht Jahre lang unschuldig in Guantanamo im Gefängnis sass. Und auch der bereits erfolgreich als Serie verfilmte Roman Der Report der Magd (engl. The Handmaid’s Tale) ist vor Kurzem als graphic novel erschienen. Diese und viele weitere Comics, Graphic Novels, Mangas und Bücher mit Tipps zum Zeichnen findet ihr in der Mediothek zum Ausleihen.

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