Was wir gelernt haben

20200507-13

von Brigitte Jäggi, Rektorin (Foto: Nu)

Was für eine ungewöhnliche Zeit, auch für die Schulen! Die einen beschwören bereits jetzt die verheerenden Folgen für unsere Jugendlichen und befürchten, sie würden noch lange unter den Folgen des Fernunterrichts leiden. Die andern wähnen sich bereits in der Zukunft, in welcher der Computer in der Arbeitswelt und an den Schulen einen zentralen, wenn nicht dominierenden Platz einnimmt. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit, wie immer, in der Mitte.

Vieles lässt sich online vereinfachen: Kurze, informative Sitzungen per Videokonferenz, in welchen über den Stand der Arbeiten berichtet und das weitere Vorgehen geplant wird, lassen sich bestens auch nach dem Lockdown weiterführen. Die Ablage über gesicherte Plattformen erleichtert die Zusammenarbeit und ist hilfreich beim Austausch von Unterlagen.

Was allen aber zunehmend schwerer fällt, ist der fehlende Kontakt mit Kolleg*innen und Lernenden, aber auch unter den Lernenden selbst sowie von Lehrperson zu Lehrperson. Die zweidimensionale Sicht von der Lehrperson auf die Schüler*innen, die sich hinter einem farbigen Kreis mit zwei Anfangsbuchstaben erahnen lassen, ersetzt keinesfalls den direkten, persönlichen Kontakt. Im realen Klassenzimmer genügt ein Blick in die Runde, man sieht da ein fragendes Augenpaar, dort ein zögerliches Nicken, hier ein Lachen, und versteht sehr viel schneller, ob das Gesagte verstanden wurde. Und nach der realen Stunde bietet sich die Möglichkeit, sich noch kurz nach dem Befinden einzelner Schüler*innen zu erkundigen, was via Bildschirm kaum funktioniert. Und im realen Lehrer*innenzimmer trifft man sich mit seinen Kolleg*innen, kommentiert das Schulgeschehen, schmiedet Pläne zum interdisziplinären Zusammenarbeiten, freut sich (oft) und ärgert sich (selten) gemeinsam.

Das Vermitteln von reinen Fachkenntnissen mag über eine kurze Zeit via Fernunterricht möglich sein, aber Meinungsbildung in Diskussionen innerhalb der Klasse, das Aufeinanderzugehen und das konstruktive Streiten über unterschiedliche Standpunkte, das alles kann nur auf der direkten zwischenmenschlichen Ebene vor Ort stattfinden.

Aus dieser Situation haben wir alle die Erkenntnis gewonnen: Lehren und Lernen kann auf Länge nie ohne den direkten, menschlichen Kontakt befriedigend sein! Der für uns alle unerwartete Digitalisierungsschub hat uns weitergebracht: zur Erkenntnis, dass wir den Weg des digitalisierten Lernens weiterbeschreiten werden, aber dass dieser stets nur eine Ergänzung zum realen Unterricht sein kann. Auch ein erfolgreicher Unterricht der Zukunft findet an unserem Gymnasium mit FMS und Maturabteilung mehrheitlich vor Ort statt, ergänzt durch digitale Selbstlernphasen. Auf diesen beiden Wegen werden wir die Lernsituationen der Zukunft meistern, so wie wir die aktuelle Herausforderung haben meistern können.