
Im Moment läuft im kult.kino camera in Basel der Dokumentarfilm „arada. Verbannt in eine fremde Heimat“ von Jonas Schaffter. Durch die Initiative und Organisation meiner Kollegin Maya Rechtsteiner erhielt der Wahlkurs „Psyche im Film“ die grossartige Gelegenheit, den Film bereits im Februar zu sehen und ein Gespräch mit Jonas Schaffter zu führen.
Text und Foto: Ines Lilian Siegfried
Jonas Schaffter hat die FMS Basel absolviert und 2013 die Hochschule für Gestaltung und Kunst mit dem Bachelor in „Visueller Kommunikation“ abgeschlossen. Bereits mit 19 Jahren hat er eine Interrail-Reise bis Istanbul gemacht, es dort so spannend gefunden, dass er nach seinem Studium in Basel ein Semester Dokumentarfotografie an der Mimar Sinan Universität in Istanbul absolviert hat und danach am Bosporus als Fotograf und Filmemacher gearbeitet hat. Eine Fotoserie, die in dieser Zeit entstand, zeigt gestrandete afrikanische Fussballspieler in Istanbul.

Das Dokumentarische interessiert ihn am meisten und gestrandete Existenzen wecken seine Aufmerksamkeit besonders. Und solche sind auch Duran aus dem Gundeli, Mustafa aus dem Oberbaselbiet und Vedat aus Solothurn, die aus der Schweiz in die Türkei ausgewiesen wurden, und über die Jonas Schaffter seinen Film „arada“ gedreht hat. Gleichzeitig ist dies seine Abschlussarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste, wo er zwischen 2016 und 2019 ein dreijähriges Masterstudium in „Realisation Dokumentarfilm“ durchlaufen hat. 2020 konnte er den Film an den Solothurner Filmtagen zeigen, wo dieser für den Prix de Soleure nominiert wurde.
„arada“ bedeutet „dazwischen“. Und dazwischen befinden sich die drei Protagonisten des Films, dazu verurteilt, von ihrem angestammten Leben in der Schweiz abgeschnitten zu sein und in der Türkei ihr Dasein zu fristen. Vedat hat ein Bild von Solothurn in seiner Wohnung aufgehängt und spricht von seiner Sehnsucht nach dem Ort, an den er nicht mehr einfach so zurückkehren kann. Er wirkt sehr ehrlich und ist sich bewusst, dass ein Antrag um Wiederaufnahme für einen vorbestraften Ausländer, der einmal ausgewiesen wurde, aussichtslos ist. Durans Tagesablauf ist immer derselbe, er hat in der Schweiz eine Frau und ein Kind und lebt vor allem für die Kontakte mit seiner Familie. Wie sein Kind aufwächst, bekommt er lediglich durch die Bilder auf seinem Smartphone mit. Mustafa ist bereits 1994 ausgewiesen worden. Er hat in der Türkei 19 Monate Militärdienst geleistet und gegen die PKK gekämpft. Seit über 25 Jahren lebt er nun dort und hat sich etwas aufgebaut. Er ist einer, der sein Gesicht wahrt und einem mit seinem Bedürfnis nach Rechtfertigung nicht so nahe heranlässt.
Jonas Schaffter ist es dennoch ausgezeichnet gelungen, in der vierjährigen Filmarbeit ein Vertrauensverhältnis zu seinen Protagonisten aufbauen. Doch hat er die Kamera auch als Machtinstrument erlebt, die beim Gefilmten etwas auslöst. Die einen gewöhnen sich daran, andere beginnen eine Rolle zu spielen oder blühen so richtig auf. Die Kamera kann aber auch ein Störfaktor sein, zum Beispiel dort, wo Durans Familie ihn in der Türkei besuchen kommt, nachdem er diese 11 Monate nicht mehr gesehen hat.
Der Film ist grossartig fotografiert, recht schnell geschnitten und zeigt eine grosse Freude an der Ästhetik, vor allem auch in den grossartigen Bildern der Umgebung, in der Vedat und Duran wohnen, die sie aber gar nicht wahrzunehmen vermögen. Der Film bewegt sich zwischen realistischem und dialektischem Dokumentarfilm, ermöglicht eine Begegnung und eine eigene Meinungsbildung und ist für einen Kinobesuch sehr zu empfehlen.
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