
Er ist Hauswart, Arrestbetreuer, schulinterner Seelenfürsorger, Ehemann, Vater zweier erwachsener Töchter und Gümmeler. Vor allem aber ist er stolzer Besitzer einer APE, eines dreirädrigen Motorfahrzeugs, mit dem er unter dem Label «Fränky’s Tuk Tuk» in seiner Freizeit die lokale Gastro-Szene bedient.
von Sophie Dettwiler (Fotos: Daniel Nussbaumer)
Haupteingang Gym Muttenz, erste Türe links. Frank Rahm, genannt Fränky, sitzt hinter einem grossen Bildschirm und blickt mich überrascht an: «Jetzt?» Ich nicke. Ein herzliches Lächeln erfüllt sein Gesicht. Er kramt eine Hygienemaske unter der Tastatur hervor und wir setzen uns an den runden Tisch. «Ich muss einfach um halb vier los. Wir fahren heute noch nach Zermatt. » Ich blicke ihn fragend an. «Männerausflug», zwinkert er vergnügt und verschränkt stolz die Arme vor der Brust.
Fränky ist Hauswart am Gymnasium Muttenz. Zu seinen Aufgabenbereichen gehören unter anderem Gebäudesicherheit und Umgebungspflege, zu seinen Kompetenzen psychologisches Geschick und Durchsetzungsvermögen. Zumindest steht das im Berufsbild des Schweizerischen Fachverbands der Hauswarte. Was denn darunter zu verstehen sei, frage ich ihn. Fränky lehnt sich zurück und holt Luft, dann folgt eine nüchterne Beschreibung der routinemässig zwischen 6.15 und 7.15 Uhr getätigten Arbeiten: Stempeln, Brandmeldeanlage scharf stellen, Smalltalk führen, Mails beantworten, Kontrollgang machen. Alles andere liesse sich nicht planen. Er nickt zufrieden und ergänzt: «Ich bin der Einzige an der Schule, der keinen Stundenplan hat.» Mit einer Einschränkung: «Z’nüni ist Z’Nüni. Und Z’Mittag ist Z’Mittag». Ein Hauswart nehme es so, wie es komme, irgendwo tue sich immer etwas. Zugegeben, in letzter Zeit sei das Plexiglas-Scheiben-Ersetzen ein ganz neues Hobby geworden. Ich lache verlegen, hatte ich doch gerade vor zwei Wochen eine dieser Kunststoffscheiben in einem unachtsamen Moment vom Tisch gefegt.
«Theoretisch ist man als Hauswart Einzelkämpfer, aber eben nur theoretisch.» Dagegen spricht nicht nur der tägliche Austausch mit den Hauswarten aller umgebenden Schulhäuser und die Zusammenarbeit mit Felix Bitterli, dem Haustechniker. Fränky kümmert sich auch um die Mitglieder der Reinigungsequipe, seine «Perlen», wie er sie liebevoll nennt. Diese würden hart arbeiten und hätten es darüber hinaus nicht immer nur einfach. Von Streitereien zu schweren Schicksalsschlägen habe er schon alles erlebt. Dass Fingerspitzengefühl und Sozialkompetenz als Hauswart genauso wichtig sind wie handwerkliches Geschick und technisches Knowhow, leuchtet ein. Den gängigen Stereotyp des täglich den Innenhof wischenden und Schüler*innen zurechtweisenden Bösewichts erfüllt Fränky trotzdem nicht. Besonders zum Disziplinarwesen hat er, wie die meisten, die davon betroffen sind, kein gutes Verhältnis.
«Das Arrestsystem brauche ich jetzt nicht wirklich.» Er zuckt mit den Schultern, sein Ausdruck verhärtet sich. Abgesehen von der Tatsache, dass man möglichweise hinterfragen sollte, warum denn Schüler*innen überhaupt in den Arrest geschickt werden, bleibt es Fränky auch nach unzähligen Dienstjahren ein Rätsel, wo der Lerneffekt sein soll. Ausserdem macht er seine Arbeit gerne selbst: «Es ergibt ja eigentlich keinen Sinn, dass Schüler*Innen meinen Job übernehmen müssen, nur weil sie Mist gebaut haben.» Das leuchtet wahrscheinlich nicht nur den Betroffenen ein.
Doch hat Fränky denn wirklich gar nichts gemein mit jenen Grummelgestalten, die sich während meiner eigenen Schulzeit in den Hauswarts-Job verirrt hatten? «Ein paar Sachen», meint er, «bringen mich schon etwas aus der Bahn». So beispielsweise, wenn manche mit der Funktionsweise der Mikrowelle experimentieren, indem sie Plastikteilchen darin zum Schmelzen bringen, deren Überreste er dann wieder rauskratzem muss. Und dann gibt es da noch das alltägliche Strandgut von halbleeren Tupperdosen oder verlorenen Kleidungsstücken, die er regelmässig einsammeln muss.
Generell landen besitzerlose Fundstücke laut Fränky zwar häufig in seiner Obhut, darunter seien aber so gut wie keine, die einen Sammlerwert hätten oder mindestens zu einer guten Geschichte taugen würden. «Bis dato habe ich noch kein Gebiss gefunden», kommentiert er nüchtern. Immerhin weiss ich jetzt, dass ich meinen Ohrring mit grosser Wahrscheinlich auf dem Klo und nicht irgendwo zwischen Veloständer und Kräuterschnecke verloren habe. Ob ihm in den 20 Dienstjahren nie eine Kuriosität untergekommen sei? Fränky zögert. «Ich weiss nicht ob, das auch als Fundstück zählt.» Er zeigt auf ein laminiertes A5-Blatt hinter mir. «Das habe ich vor ein paar Jahren gefunden.» Seine Augen glänzen. Eines Morgens sei die Rektorin ins Büro gestürmt, jemand habe ein riesiges Transparent an der Fassade des Pavillons montiert. Das müsse sofort weg. «Also bin ich los.» Als er die Luke zum Dach öffnete, standen da zwei Bierflaschen und das Blatt: «Hey Fränky, Dangge für’s Abhole. Do es Bierli für de chilligscht Typ am Gym!». Der Fund, der gefunden werden wollte, stellte sich als eine rührende Geste zweier Randalos heraus.
Den Mann, der vor mir sitzt, bringt so schnell nichts aus der Fassung. Wenn ihn der Wunsch, aus dem Schema F auszubrechen, dennoch einmal einholt, wendet er sich seiner motorisierten Freiheit zu: dem Tuk Tuk. Das Tuk Tuk, benannt nach dem charakteristischen Geräusch des Zweitaktmotors, hat seinen Weg zu Fränky über die höchste Liga der Basler Kulinarik gefunden: Den Traum vom eigenen Tresen auf Rädern hat er sich vor fast fünf Jahren mithilfe von Raphael Wyniger, Freund und Geschäftsführer des Teufelhof Basel, verwirklicht. Mit dem mobilen Dreiräder, der Piaggo APE, serviert er seither kulinarische Spezialitäten an Hochzeiten, Geburtstagen oder Firmenanlässen. Die toskanische Tuk Tuk-Biene kann alles. Fast alles. Freestyle halt à la Fränky. Das Einzige, was immer bleibe, sei der Bierzapfhahn: «Der gehört zur Grundausstattung.» Eine grosse Unterstützung ist seine Frau Sonja, mit der er seit über 30 Jahren zusammen ist. Sie habe es mal schön gesagt: «Mein Mann hat jetzt ein neues Hobby und ich habe die Arbeit». Er lacht charmant.
Aber die drei Räder des Tuk Tuks reichen ihm nicht. Er tauscht sie gerne auch gegen die schmaleren seines Rennrades aus und ersetzt das von weitem hörbare Motorenknattern mit dem leisen Surren des Freilaufs. Damit habe er schon halb Europa durchfahren, von Trondheim nach Tromsø und von Basel an die Atlantikküste, um nur zwei seiner unzähligen Touren zu nennen. Fränky erzählt von unberührter Wildnis und Fjorden – er kommt ins Schwärmen und ich höre ihm gerne zu. Was ursprünglich ein feinsäuberlich geplantes Interview mit einem durchgetakteten Fragekatalog hätte sein sollen, gestaltete sich bald als ehrliches und witziges Gespräch. Zum Glück. Denn Fränky ist nicht ein Hauswart, wie man ihn sich vorstellt. Er ist der Hauswart, wie man ihn sich wünscht.

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