Macht Mozart schlau?

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von Jan Hitz (Foto: Nu)

Statt im Mathematikzimmer sitze ich mit meiner Klasse im Foyer des Gymnasiums und erlebe das Kammerorchester Basel bei der Probenarbeit zum G-Dur Konzert für Klavier und Streicher von Haydn. „… und jetzt tutti!“, weist die souveräne Konzertmeisterin Yuki Kasai das Orchester an. Präsenz, Präzision und Leidenschaft der Musikerinnen und Musiker sind beeindruckend. Das KOB arbeitet seine Interpretation der Stücke heraus und demonstriert die kraftvolle Wirkung gemeinsamen Musizierens.

Schon die Pythagoreer haben den überraschenden Zusammenhang zwischen Zahlen und Klängen beschrieben. Die Musik zählte in der Antike zum mathematischen Quadrivium der sieben freien Künste. Mathematik und Musik benutzen beide abstrakte Notationen und gehorchen strengen strukturellen Regeln. Takt und Rhythmus erfordern beim Musizieren konzentriertes Mitzählen. Musik lässt sich durch Zahlen zwar beschreiben – aber nicht erklären. Die Wirkung der Musik auf den Menschen ist mit Zahlengesetzlichkeiten nicht zu erfassen: Musik kann uns in ihren Bann ziehen, bereichern, berühren und tiefste Emotionen wecken.

Aber kann Musik auch die menschliche Kognition beeinflussen? Macht aktives Musizieren intelligenter und kreativer? Steigert musikalische Früherziehung das Konzentrationsvermögen oder die Fähigkeit analytischen Denkens? Verändert regelmässiges Klavierspielen die Struktur des Gehirns? Fördert Musikunterricht die räumliche Vorstellungskraft? Und sind Kinder mit Musikunterricht sprachgewandter als nicht musizierende Gleichaltrige?

Seit den Neunzigerjahren erscheinen regelmässig Studien zum Einfluss von Klängen auf den Menschen, aktuell auch das international erfolgreiche Projekt „Sounding ways into Mathematics“ der Pädagogischen Hochschule FHNW, das den Mathematik- mit dem Musikunterricht verbindet. Dennoch lässt sich die Frage nach dem sogenannten Mozart-Effekt nicht eindeutig beantworten. Kaum wird eine neue Studie publiziert, hagelt es Einwände zum methodischen Vorgehen, dem laxen Umgang mit statistischen Methoden oder zur Interpretation der Studienergebnisse: Aus der Korrelation, dass Musikalität in vielen Fällen mit besseren kognitiven Leistungen einhergeht, wird eine Kausalität gemacht. Aber nur weil musikalisch geförderte Kinder tendenziell auch schneller Chinesisch lernen, muss dieser Zusammenhang nicht unbedingt ein kausaler sein.

Musik überdauert als Kulturgut Milliarden von Jahren: von den prähistorischen Knochenflöten bis zur „Voyager“-Raumsonde, die auf ihrer Reise in die Ewigkeit mit Mozart, Bach und Beethoven samt Abspielgerät im Gepäck unser Sonnensystem bereits verlassen hat. Der musikalische Gruss soll ausserirdischem Leben Zeugnis ablegen von der Essenz des Menschseins. Vor diesem Hintergrund erscheint es kleinlich, wenn Bildungspolitik und Forschung auf der Frage nach dem Mozart-Effekt herumreiten.