von Hans Martin Roffler (Foto: Nu)
In Born as a Crime (2016) berichtet der begnadete Stand-up-Komiker und Show-Host Trevor Noah von seiner Jugend als „illegaler“ Mischling in Zeiten der südafrikanischen Apartheid. Er schildert sein Glück, als Kind mehrsprachig aufgewachsen zu sein. Zum Beispiel verhindert er dadurch, dass er trotz seiner hellen Hautfarbe in den schwarzen Homelands ausgeraubt wird, und er profitiert wiederum davon, als er in einer weissen Nachbarschaft Anschluss sucht. Noah sagt, dass die Sprache bezüglich der Identifikation wichtiger sei als die Hautfarbe. Und auch wenn andere ihm mit Blick auf seine Hautfarbe skeptisch begegnen, tritt diese Skepsis durch den Gebrauch einer gemeinsamen Sprache in den Hintergrund.
Ganz unpolitisch und ohne Kenntnisse dieses Textes von Noah verbrachte ich letztes Jahr aussergewöhnliche Weihnachten bei Verwandten meiner Partnerin. Vor Jahren entschieden sich ihre Tante aus Südafrika und ihr schwedischer Onkel dazu, ihre Kinder aufgrund politischer Instabilitäten in Schweden anstatt in Swasiland einzuschulen. Der Kontakt zur Familie brach nie ab, aber Besuche blieben die Ausnahme. Umso grösser war die Freude beim Wiedersehen rund um den Weihnachtstisch. Aufgetragen wurde ein mehrtägiges Festessen – schwedisch in seinen Grundzügen: Rentier, Lachs, Hering, begleitet von Gratin, Wintergemüse und typisch schwedischen Alkoholerscheinungen. Auntie Rae fügte diesem Gelage ihre südafrikanische Note bei, was sich bei der Wahl der Gewürze zeigte – malayisches Curry hier, indisches Curry da – oder bei den Desserts, wie dem Malva-Pudding. Die Schweiz war durch meine Brotflechtkunst vertreten und mein Vater hatte in seinem alten Koffer eine Notration an Schokolade, Appenzeller Biberli und Basler Brunsli mitgeschleppt.
Und dann die Sprachen! Die Tante sprach afrikaans mit ihrer Nichte, schwedisch mit ihrer Familie und englisch mit mir, ich schweizerdeutsch mit meinem Vater, englisch mit meiner Partnerin, englisch und schwedisch mit dem Rest der Familie und doch war niemand aller Sprachen mächtig. Tauchten Sprachbarrieren auf, so wurden sie mit vielsagenden Gesten und Lachen überbrückt. Apropos überbrücken: Die Zeit zwischen zwei Mahlzeiten verbrachten wir mit Kartenspielen und hier hatte mein Vater einen kleinen Vorteil: Er gewinnt nicht nur oft und gerne, gespielt wurde auf Schweizerdeutsch!
Mehrsprachigkeit ist eine Realität, die nicht nur das Überleben (bei Noah) und das Kommunizieren (bei mir) ermöglicht, sie verhindert grobe Missverständnisse und fördert die Toleranz anderen gegenüber. Mich als Spanisch- und Englischlehrer erfreut es zu beobachten, wie Schülerinnen und Schüler – zumindest auf unserer Stufe – den Fremdsprachen mit einer guten Portion Selbstvertrauen und Kreativität begegnen. Zum Schluss mögen wir uns durch alle Küchen dieser Welt essen, aber wenn wir uns an einem gemeinsamen Tischgespräch entsprechend ausdrücken und verständigen können, so mundet es umso mehr.
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