Bewegen wir uns im Kreis?

Sie stehen früh auf, um die schulischen Zyklen zu planen und zu leiten:  Rektorin Brigitte Jäggi und ihre Kollegen in der Schulleitung

von Brigitte Jäggi, Rektorin (Foto: Nu)

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin ging an drei amerikanische Forscher, welche die Ursache des Tag-Nacht-Rhythmus entdeckt hatten. Was dabei physiologisch geschieht, wurde nicht am Menschen erforscht – das Objekt der Untersuchungen war die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster), aus der die Forscher ein Gen isolierten, dessen Protein den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Das in der Nacht in den Zellen angehäufte Protein wird im Verlaufe des Tages wieder abgebaut und löst dadurch die Müdigkeit aus, welche für die Nachtruhe notwendig ist. Was für den Tag-Nacht-Rhythmus der Fruchtfliege gilt, funktioniert offensichtlich in allen mehrzelligen Lebewesen, also auch beim Menschen. Hinter diesem Mechanismus, so die Forscher, steht die Synchronisation mit der Rotation unseres Planeten. Folglich vollzieht ein Mensch mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 83 Jahren über 30‘000 Mal diesen Zyklus. Bewegen wir uns daher nur im Kreis? Auf die Schule als Organisation bezogen scheint die Kreisbewegung zu stimmen: Jedes Jahr werden Klassenlager organisiert, jedes Jahr wird ein Chorlager durchgeführt, jedes Jahr finden Maturaprüfungen statt, jedes Jahr werden Fachmaturitätsarbeiten korrigiert, jedes Jahr werden die Schulabschlüsse gefeiert. Aus der Sicht der Lernenden verläuft hingegen deren individuelle Schulkarriere linear: Sie nehmen an einem Klassenlager im Onsernonetal teil, singen mit dem Chor in der Elisabethenkirche, legen Prüfungen im Französischunterricht ab und nehmen am Ende stolz ihr Maturazeugnis oder den FMS-Abschluss entgegen. Und obwohl sich die Lehrpersonen in der zyklisch geprägten Schulorganisation bewegen, ist das Unterrichten geprägt von der Unterschiedlichkeit der Klassen, der Individualität von Schülerinnen und Schülern und von der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Aktualität. Zyklisch oder linear? Ist dies überhaupt ein Widerspruch? Aus der Perspektive des Einzelnen scheint der lineare Lebensablauf von Geburt bis zum Tod zu stimmen. Aus der systemischen oder naturgesetzlichen Perspektive scheint eher die Wiederholung richtig zu sein. Ob es nach dem Tod geradewegs in den Himmel geht oder ob die Seele die nächste Kurve nimmt in einen neuen Lebenszyklus, das ist eine Frage, welche Philosophen und Religionen seit mehr als 2000 Jahren beschäftigt. Die aktuellen Medizinnobelpreis-Träger haben zumindest einen Zyklus erforscht: Er liegt in unseren Genen!