
von Regina Bandi (Text und Bilder)
Wir halten die letzten Himbeeren in unseren Händen, köstliche alte Sorten mit intensivem, aromatischem Geruch und einem Geschmack, der uns an Kindheit und Grossmutters Garten erinnert. Eine metallisch-blaugrüne Grosslibelle sitzt träge auf einem gelbgefeckten Weinblatt und geniesst die wärmenden Sonnenstrahlen. Sie hat ziemlich sicher bereits für ihren Nachwuchs gesorgt, der als Larven im Schulteich überwintert. Sie wird nun bald sterben und damit ihren Lebenszyklus beenden.
Ganz so, als ob er wüsste, dass heute unser letzter Herbstferientag ist, beschenkt uns der Oktober mit strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel. Wir sind dabei, den Schulgarten auf den Winter vorzubereiten; sein nun schon zweiter Jahreszyklus seit seiner Neugestaltung im 2016 neigt sich bereits dem Ende entgegen. Viele helfende Hände unserer Assistenten, Schülerinnen und Schüler sowie einiger Lehrpersonen haben übers Jahr immer wieder gepflanzt, gejätet, gemäht, zurückgeschnitten und gepflegt. Wissen und Erfahrungen wurden ausgetauscht, und viel Kreativität und Herzblut sind in die Entfaltung des Gartens geflossen, welcher sich langsam aber sicher in unseren Schulkreislauf integriert hat – oder wir uns in ihn?
So konnten wir zum Beispiel beobachten, wie sich im ersten Jahr die Pioniervegetation auf den Ruderalflächen einfand: Das waren zuerst einfache Pflanzenrosetten, recht unscheinbar und bescheiden, flach und spärlich. Viele dieser Pflanzen schienen im darauffolgenden Winter abzusterben und zu verschwinden, scheinbar nur, denn im zweiten Jahr tauchten sie wieder auf, gewannen enorm an Höhe und Stärke und brachten eine enorme Blütenpracht hervor. Es handelt sich hierbei um zweijährige Arten. Die Wegwarte gehört dazu und die Wilde Malve, die Königskerze und die Flockenblume. Dazwischen gibt es noch genug Platz für ein- und mehrjährige Kleinpflanzen wie den Steinklee, die falsche Kamille, den Mauerpfeifer oder den Storchenschnabel.
Die unbelebte und belebte Natur ist perfekt in Sachen Kreisläufen. Es gibt sehr viele davon und sie scheinen sich untereinander zu kennen, zu respektieren und sich gegenseitig Platz und Unterstützung einzuräumen. So bieten die abgestorbenen Stängel krautiger Pflanzen vielen Insekten Schutz und deren fetthaltige, nahrhafte Samen sichern das Überleben der Vögel, die bei uns überwintern. Daher sollte abgestorbenes Pflanzenwerk auch keinesfalls im Herbst entfernt werden. Seine Wurzeln und Rhizome halten ausserdem den Boden zusammen und verhindern Erosion, beherbergen Stickstoff fixierende Bakterien, speichern Wasser und führen dem Boden wichtige Mineralien zurück. Ein ständiges Kommen und Gehen von Blüten in verschiedenen Formen und Farben vom frühsten Frühling bis in den Spätherbst hinein ernährt Wild- und Honigbienen sowie Schmetterlinge und Käfer, welche wiederum deren Pollen und Samen verbreiten.
All dieses rege Treiben kommt gegen Jahresende zur Ruhe. Der Kreislauf hat seine Runde gedreht und wartet geduldig auf den nächsten Frühling. Wir Menschen können dabei nur staunend zusehen und vielleicht etwas fürs Leben lernen!
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