„Ihr seid aber sehr straightforward!“

Ines Siegfried (vorne) begrüsst das Publikum, Desirée Thommen (ganz links) und Maurice Jäger (daneben) moderieren das Gespräch

In seinem Roman „Opoe“ erkundet der Autor Donat Blum das Leben seiner fiktiven Grossmutter. Die Klasse F2b von der FMS Muttenz stellte am Sonntag, dem 11. November, Autor und Werk in einem Gespräch an der BuchBasel vor.

von Timo Kröner (Text, Bilder)

Der Galeriesaal des Volkshauses liegt direkt neben dem Unionssaal, in dem zeitgleich im Rahmen der BuchBasel eine Veranstaltung mit Denis Yücel stattfindet. Dort wird der Blick auf die grossen Konflikte der Weltpolitik geworfen, hier auf die feinen biografischen Spuren von Individuen, die sich selber suchen und im Leben des anderen finden.

Die Mitarbeit von Muttenzer Klassen an dem Basler Literaturfestival hat eine lange Tradition, dieses Jahr hat Ines Siegfried mit der F2b das Buch „Opoe“ von Donat Blum im Unterricht gelesen und vorbereitet. Ergebnis dieser Unterrichtseinheit ist nicht die Prüfung von Wissen oder ein Aufsatz, sondern das Vorstellen des eigenen Wissens im Gespräch mit dem Autor.

Die letzten Vorbereitungen

Die F2b hat zwar die Veranstaltung geplant, aber den Autor, mit dem sie das Gespräch führen werden, lernen die Schüler*innen erst jetzt persönlich kennen. Ein bisschen sind also alle nervös, während Ines Siegfried die Mikros testet und die beiden Moderatoren Desirée Thommen und Maurice Jäger ein letztes Mal die Fragen durchgehen.

Doch Donat Blum erweist sich als Glücksfall. So offen sein Roman mit Lebensentwürfen umgeht, so zugänglich und humorvoll erweist sich der Autor als Gesprächspartner über seinen Roman. Zuerst spricht Vera Brügger mit ihm über Leben und Arbeiten, dann thematisiert Nik Feigenwinter den Inhalt des Romans. Melanie Holle stellt Fragen zur Thematik des Romans, Katharina Rieder zur Struktur und Lou Abrahams zum Erzählen selbst und zur Perspektive.

Damit sind natürlich alle relevanten Frage, die der Deutsch-Unterricht an Literatur zu stellen hat, abgehandelt. Dass die Veranstaltung trotzdem nicht nur eine Deutsch-Lektion auf der Bühne der BuchBasel wurde, lag an dem wunderbaren Dialog, auf den sich Donat Blum und die Klasse eingelassen haben.

In dem Buch geht es auch um die sexuelle Orientierung des Protagonisten. Auf die Frage: „Warum hast du das Liebesleben von Donat so deutlich dargestellt?“, reagiert Blum ganz unverblümt: „Ihr seid aber sehr straight froward!“ Und ob es nicht problematisch gewesen sei, so offen über Sexualität zu schreiben? „Ich musste mit meiner Mutter schon ausführlich über Sexualität reden, da kann ich das in der Öffentlichkeit machen.“ Nicht nur an diesen Stellen entlockt das Gespräch dem Publikum ein herzliches und offenes Lachen.

Doch auch so scheinbar einfache Fragen wie „Worum geht es in diesem Roman?“ führen zu kontroversen Diskussionen auf der Bühne. Dass die fiktiven Figuren Spuren von echten Menschen enthalten, ist noch leicht einzusehen. Welche Rolle das eher unglückliche Leben der Grossmutter in einer bürgerlichen Ehe für die Affären des fiktiven Enkels spielt, ist schon schwerer zu beantworten. Das Leben sei nicht eine einfache Kausalität im Sinne von „auf A folgt B. Aber es gibt immer viele Gründe. Nur einer wird der Lieblingsgrund und den nimmt man dann als Vorwand für eine einleuchtende Erklärung.“

Der Roman wechselt häufig die Zeitebenen: „Das ist für den Leser teils sehr verwirrend.“, kommentiert Katharina. Auch dass er aus vielen kurzen Stücken zusammengesetzt ist und dabei immer wieder Thema und Perspektive wechselt, wird von Lou angesprochen. „Aber Ihr schaut doch alle Netflix – Ihr müsstest diese Art des Erzählens doch kennen! Bei Netflix funktionieren alle Serien so!“

Ob die Anpassung der Literatur an die gegenwärtigen Sehgewohnheiten der Jugendlichen funktioniert, bleibt offen. Und doch beschreibt sie genau diese Herausforderung des Protagonisten, im Schutze der erfundenen Grossmutter bei der eigenen Rebellion standhaft zu bleiben – weshalb der Protagonist wie der Autor auch Städte mögen, in denen es Frei- und Lebensräume gibt, wie in Biel und Berlin, den beiden Lebensorten Donat Blums.

Die echte Grossmutter hiess nicht Opoe. Und sie hätte das Buch nicht gelesen. Aber sie wäre sicher stolz darauf, da ist sich Donat Blum sicher. Ob er ein zweites schreiben wolle? „Nach dem heutigen Gespräch schreibe ich sicher kein Buch mehr!“ Doch nach allgemeinem und wohlwollendem Gelächter korrigiert er natürlich: „Bücher schreiben ist das Schönste, was es gibt.“ Davon hat er Publikum und Klasse überzeugt.