von Daniel Nussbaumer (Textfassung und Bilder)
Die Opernaufführung unseres Kammerchors „Dido and Aeneas“ vom 16./17. Februar 2019 in der katholischen Kirche Muttenz hat das Publikum gleichermassen begeistert wie verblüfft. Der Entfalter hat die drei Hauptsolisten Helena Bühler (Dido), Lenard Fasnacht (Aeneas) und Julia Kunz (Belinda) mit den beiden Gesangslehrerinnen Franziska Baumgartner und Barbara Schneebeli (Regie) zu einem Gespräch eingeladen.
Ein besonderer Moment in der Aufführung
Julia: Zu Beginn war ich recht nervös – und dann kommt man auf die Bühne bei seinem Auftritt, die Scheinwerfer sind auf einen gerichtet …
Helena: … man sieht kein Gesicht mehr vor sich …
Julia: … wie in einem leeren Raum, fängt an zu singen und ist voll drin. Man vergisst alles um sich herum.
Helena: Ich war wie in einem Film und habe alles andere ausgeblendet, nicht absichtlich, es geschieht einfach.
Julia: Es ist dann wirklich wie ein Dialog, bei dem man normal miteinander redet, …
Helena: … einfach dass man es schon hundertmal gemacht hat.
Julia: Das ist dann eben die Kunst, das immer wieder neu zu können.
Lenard: Es war hilfreich, dass man bei der Aufführung wirklich praktisch kein Gesicht gesehen hat. Wenn ich so in der Mitte im Licht stand und eine Arie sang, dann half mir das sehr, um mich voll darin zu verlieren.
Franziska: Es gab ein paar Regiemomente, die mir stark geblieben sind. Zum Beispiel die Chorstellen. Was die Hexen gemacht haben, ist sehr wirkungsvoll herübergekommen.
Allgemein bin ich viel mehr in der Geschichte drin, wenn der Chor von der Regie geführt ist, als wenn er einfach dasteht und schön singt, weil die Emotion auch auf den Gesichtern ist und nicht nur in der Musik.

Purcells Oper, die Handlung, die Rolle
Helena: In der Gesangsstunde haben wir Text und Bedeutung immer wieder anschauen müssen. Aber erst als ich Dido selber spielte, wurde mir bewusst, wie sie eigentlich ist.
Franziska: Das ist auch kein einfacher Text.
Helena: Schwierig waren weniger die Wörter, sondern was das alles im übertragenen Sinn für meine Rolle bedeutete.
Lenard: Ich habe mich, ehrlich gesagt, zu wenig selber informiert und habe dann aufmerksam zugehört, wenn jemand etwas über das Stück erzählt hat. Und dann kennt man ein bisschen die griechischen Epen, oder Eposse oder was auch immer die Mehrzahl davon ist, egal: Ich habe mir etwas zusammengewurstelt. Ich musste da einfach hineinfinden, sonst wäre es nicht so herausgekommen.
Julia: Am Anfang waren auch die Grundzüge der Charaktere bekannt:(zu Helena)Du bist immer traurig (Helena grinst).(Zu Lenard)Du bist immer um sie herum und baggerst sie an. Ich stehe zwischen alldem. Es ging mir auch so, dass ich erst alles verstand, als ich es selber zum Ausdruck bringen durfte.
Barbara: (zu Julia) Ich hatte den Eindruck, dass diese Musik Ihnen entgegenkam.
Julia: Das stimmt.
Franziska: (zu Helena)Das war bei Ihnen nicht so, oder?
Helena: Nein, ich habe mich am Anfang fremd gefühlt. Denn ich hatte keine Vorstellung, was mich erwarten würde. Ich verstand zudem nicht, wann die Entscheidungen bei der Rollenverteilung fielen. Auf einmal hiess es: Du bist das und du bist das! Dann dachte ich: Okay, cool. Mit der Zeit wurde mir bewusst: Das heisst, du musst dich reinknien!Und dann bekam ich Angst. Aber es ging trotzdem.

Die Zusammenarbeit mit unserem Kammerchor und der Schola Cantorum Basiliensis
Barbara:Das ist der übliche Musikergroove. Man hat eigentlich kaum Zeit für solch ein Projekt. Das war für die eine kleinere Sache. Da trifft man sich für eine Probe und dann für die Schlusskurve. Und das ist es dann.
Julia: Mit dem Kammerchor war es super. Es ist aber speziell, wenn man nicht mehr Teil davon ist, sondern Solistin. Trotzdem waren wir eine Einheit.
Lenard: Wir gehören zu diesem Kammerchor und haben einfach eine spezielle Rolle darin bekommen.Es war aber immer noch ein gemeinsames Projekt.
Helena: Während dem Ganzen habe ich öfters von den andern Chorleuten gesagt bekommen, das sei eines der tollsten Projekte und sie seien noch nie so motiviert gewesen. Da habe ich verstanden: Es gibt keine Trennung zwischen Solisten und Kammerchor. Darüber war ich sehr froh.

Warum singe ich?
Lenard: Als ich klein war, noch in der Spielgruppe, konnte ich mir Melodien sehr gut merken. Die Spielgruppenleiterin hat meiner Mutter gesagt, ich könnte doch eines Tages in die Knabenkantorei Basel (KKB). Ich habe jetzt seit sieben Jahren Gesangsstunden. Ich habe hier am Gym Musik als Schwerpunktfach und mache in ein paar Chören mit. Ich singe jeden Tag und übe ein Hobby aus, das mit Musik zu tun hat.
Julia: Bei mir war es ähnlich. Offenbar habe ich im Kindergarten die ganze Zeit gesungen. Irgendwann ging die Kindergärtnerin zu meiner Mutter und sagt: «Steckt die in einen Chor! Sie singt die ganze Zeit.»So kam ich in die Mädchenkantorei Basel (MKB). Und ich bin bis heute dabei. Ich singe immer noch recht viel und überall, zum Teil ohne dass ich es merke.
Lenard: Unsere Klassenkameraden …
Julia: … sagen dann: «Hört mal auf zu singen!»
Helena: Wir haben als Familie immer zusammen gesungen. Mit 12 bekam ich Gesangsunterricht und wirkte mit in einem Ensemble. Dann fing ich an, in einer Band zu singen. Auch kurz in einem Ensemble mit Gitarre. Das war noch lustig, weil es eigentlich gar nicht mein Musikstil war: englischer Barock. Und so war ich drin.
Franziska: Als kleines Kind habe ich chromatisch gesungen und damit meine Eltern verblüfft. Dann begannen mich die Instrumente zu faszinieren, vor allem Klavier und Orgel. Gesungen habe ich dann in der Schule. Und im Musikstudium beim Chorleiten habe ich das Singen für mich richtig entdeckt.
Barbara: Meine Eltern haben mich immer an Konzerte mitgenommen. Jedoch fand ich als Kind die grosse Frau da vorne, die so hoch schrie, zum Fürchten. In der Pubertät war das Klavier für mich wichtiger. Dann hat die Schule eine Gesangslehrerin engagiert. Beim Singen ist mir eine Welt aufgegangen. Das Singen ist ein Teil von meinem Lebenselixier, das mich trägt.
Julia: Es ist immer da, man hat es immer bei sich. Man merkt es eben, wenn man damit Menschen erreicht, sie berührt. Es ist ein tiefes Gefühl und mehr als einfach etwas, was man kann.

Wie sieht das Singtraining aus?
Franziska: Jetzt kommt es ans Licht!
Helena: Wir üben jeden Tag fünf Stunden.
(grosses Gelächter)
Lenard: Klar, Disziplin, volle Kraft voraus!
Barbara: So haben wir uns das gedacht!
Julia: Ich kann, wenn ich in der MKB bin, relativ viel mit meiner Stimme tun. Dann habe noch die eine Gesangsstunde hier an der Schule. Üben, ja, das gibt es auch. Durchaus.
(Aufatmen der Gesangslehrerinnen)
Lenard: Ich habe auch vier Stunden Chor pro Woche (KKB), zudem zwei Stunden Gesangsunterricht. Und so viel, wie ich meine Mitmenschen im Alltag mit Singen störe, brauche ich eigentlich kaum noch Training …
Helena: Mein Singtraining folgt gewissen Intervallen. Wenn etwas ansteht, dann ist es sehr intensiv. Wenn nicht, dann versuche ich auf dem Level zu bleiben, das ich beim letzten Mal erreicht habe.

Warum hat das Gym Muttenz so gute Musikproduktionen?
Lenard: Na, wegen uns hier!
(grosses Gelächter)
Julia: Also, wir haben den Kammerchor. Der hat einfach im Vergleich zu anderen Gym-Chören ein höheres Level.
Helena: Für mich war es klar, dass ich ans Gym Muttenz möchte. Ich wusste, hier gibt es einen Chor, einen Kammerchor, und ich hatte mehrere Rezitals gesehen, schon als ich in der Sek war.
Julia: Wenn man Leute wie Felix Gygli (Matur 2016) und Luca Gotti (Rolle der Sorceress in der Oper) sieht und fragt: Woher kommen die? Ah, vom Gym Muttenz!
Lenard: Der Ruf kommt natürlich nicht nur wegen diesen Leuten, sondern wegen …
Julia: … dir!
(Gelächter)
Lenard: Klar! Ich bin schon absolut abgehoben. Nein. Natürlich hat jedes Gym das gleiche Potential. Ich denke, wir am Gym Muttenz stecken da einiges mehr an Energie rein als andere Gymnasien. Hier hat der Chor viel mehr Gewicht. Dass wir im Herbst nach Madrid dürfen etwa: Welcher andere Gym-Chor in Baselland macht eine solche Konzertreise?
Helena: Der Chor beansprucht hier auch sehr viel Zeit. Nehmen wir den «Elias» als Beispiel. In diesem Chor sind Leute, die das machen wollen. Und die erreichen dann auch mehr.
Julia: Die Motivation ist riesig.
Barbara: Nicht zuletzt arbeiten hier Lehrpersonen, die Visionen und Ideen sowie ein Netzwerk haben. Zudem tragen die Schulleitung und das Kollegium unsere Projekte mit und sorgen auch für eine stabile Finanzierung.
Lenard: Der Chor ist eine riesige Einheit, die unterstützt wird durch das jährliche Lager. Wer im Gym Chor ist, hat ein vollkommen anderes Netzwerk durch das ganze Gym hindurch. Das spornt andere an zu kommen und befeuert die Motivation.
Impressionen aus der Hauptprobe mit Julia, Helena und Lenard unter der Leitung von Barbara Schneebeli und Jürg Siegrist:
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