Wenn Schülerinnen und Schüler sich die musikalische Corona aufsetzen

von Christoph Huldi und Jürg Siegrist

Im Grundlagenfach Musik analysieren und interpretieren wir musikalische Werke unterschiedlichster stilistischer Ausrichtung. Die Motivation und Fähigkeit, dabei tief und differenziert in die Materie einzutauchen, ist gemäss unseren Beobachtungen sehr unterschiedlich. Im Idealfall entsteht in der Arbeit ein „Flow“, in dem Zeit und Raum unbedeutend oder gar vergessen werden.

Nehmen Sie sich die Zeit, mit unserem Schüler Sejohn Uruthiralingam (3AW) für fünf Minuten in die faszinierende Welt der indischen Musik einzutauchen.

Wie ermöglichen wir künstlerisches Eintauchen? Ein Beispiel ist der „künstlerische Vortrag“, der in seiner freien Anlage den „Flow“ ideal begünstigt. Hier gestalten die Schülerinnen und Schüler auf künstlerische Weise Zeit und sie performen live. Im Coronasemester sind daraus nun Videos geworden. Der Inhalt des künstlerischen Vortrages ist recht frei: Es darf nebst Instrumentalvorspiel oder Gesang auch Rezitation, Theaterspiel, Performancekunst, Tanz sein.

Wunderbare künstlerische Fähigkeiten offenbaren sich – und oft haben die Klassenkameraden diese noch nie gesehen und erlebt, denn wir sprechen hier nicht vom Schwerpunktfach Musik!

So wie bei Sejohn, der komplexe tamilische Gesänge im 7/8-Takt musizieren kann. Solche Überraschungen erleben wir immer wieder, etwa

  • den Schüler, der im Unterricht kein Wort freiwillig sagt, aber souverän eine Beethoven-Sonate spielen kann,
  • die Schülerin, die Mühe hat mit Rhythmus, jedoch seit Jahren Theater spielt und packend performt.
  • den Schüler, der mit Deutsch Schwierigkeiten hat, aber die türkische Laute, die Oud, beherrscht.
  • die Schülerin, die nicht gut singen kann, aber seit Jahren tanzt und auch selbst choreographiert.

Doch es stellen sich Fragen nach Gerechtigkeit in der Bewertung.

Ist es richtig, wenn man sozusagen «Äpfel mit Birnen vergleicht»?

Es gibt verbindende Kriterien: Klang, Rhythmus, Auftrittskompetenz, emotionale Tiefe, Perfektion – diese Qualitäten der künstlerischen Zeitgestaltung sind Teil jeder Performance.

Darf man Leistungen mitbewerten, die nicht direkt im Unterricht erworben wurden?

Zwar kann die soziale oder familiäre Situation dazu führen, dass man sich nicht künstlerisch betätigen kann in der Freizeit. Andrerseits: wer Zeit in einen Sprachaufenthalt investiert hat oder seit Jahren Sport macht oder zum Beispiel zeichnet in der Freizeit, wird auch in bestimmten Fächern besser sein – wegen der ausserhalb des Unterrichts erworbenen Kompetenzen. Wir möchten die besonderen Leistungen wertschätzen.

Ist es nicht fantastisch, wie Schülerinnen und Schüler solche Fähigkeiten zeigen können, die unser Herz berühren können? Darum sollen diese grossartigen Kompetenzen auch in der Maturnote im Kunstfach ausgedrückt werden.

Künstlerische Vorträge von Louisa Engel 3BZ und Laura Brecht 3IS: