
von Corinna Lignini, 3WE (Foto: Nu)
Ich lache. Ich muss so laut lachen, dass ich mich nicht mehr beherrschen kann. Ich lache meine Kollegin aus. Sie weint, während ich mit dem Finger auf sie zeige und mich über sie lustig mache. Sie ist ganz klein und ich bin gross. Dann wendet sich das Blatt und mein Lachen wird leiser und ich werde kleiner. Ein Schluchzen steigt in mir auf, meine Augen werden wässrig und ich breche in Tränen aus. Wieder und wieder wechseln wir uns mit der Rolle des Auslachens und Weinens ab, bis mir vor Anstrengung schwarz vor Augen wird und die Übung ein Ende findet. Aurel von Arx, unser Lehrer, erklärt uns, dass es sich beim Lachen um ein schnelles Ausatmen und ein langes Einatmen handelt. Wir sollen die Luft förmlich aus unseren Lungen stossen. Umgekehrt ist es, wenn wir heulen sollen. Dabei wird in kurzen Zügen eingeatmet und lange ausgeatmet. Theoretisch klingt das machbar, doch die praktische Umsetzung ist nicht zu unterschätzen. Wir versuchen es erneut und achten uns dieses Mal genau auf die Atmung.
Hätte man mich vor den Sommerferien gefragt, ob ich meine Gefühle willkürlich kontrollieren kann, hätte ich voller Überzeugung nein gesagt. Doch der Theaterkurs hat mir das Gegenteil bewiesen. Wir können tatsächlich üben, Emotionen auf Handschnipsen hervorzurufen. Dafür analysieren wir die Körpersprache gänzlich und ahmen sie anschliessend so gut wie möglich nach. Wenn ich mich davon überzeuge, dass ich die Emotion empfinde, erledigt mein Unterbewusstsein den Rest für mich. Ich setze ein falsches Lachen auf und irgendwann beginnt mein Körper Glückshormone auszuschütten und meine anfangs noch gefälschte Freude wird zur echten. Kontrolle über seine Gefühle zu haben ist eine wertvolle Fertigkeit, sowohl im Alltag als auch in Krisensituationen. Cool zu bleiben, wenn ich im Stress bin, oder nicht unfreundlich werden, wenn ein anderer schlecht drauf ist, ist sicherlich nicht einfach, doch meistens die klügste Entscheidung.
Wenn ich mich also in den Theaterproben auslachen lasse oder erfundene Szenen improvisieren muss, erforsche ich mich selbst. Ich lerne mich, meine Reaktionen und meine Körpersprache besser kennen und werde mir deren viel bewusster. Unser Ziel bleibt es nach wie vor, Emotionen willkürlich hervorzurufen und sie so überzeugend wie möglich vorzuspielen. Doch auch wenn mir das nicht gelingen sollte, habe ich etwas Wertvolles dazugelernt. Die Welt dreht sich immer schneller, wir müssen stets irgendwo sein und irgendetwas tun. Dabei vergessen wir oft uns etwas Zeit zu nehmen und in uns hineinzuhorchen. Beim Theaterspielen muss ich genau das machen: mich wahrnehmen. Fühlen, wo ich bin, wie ich bin, wie es mir geht. Meine Identität abstreifen, mich von ihr entfernen und in eine neue eintauchen. Die Rolle spielen. Die Rolle sein, spüren, fühlen. Damit abschliessen und bewusster wieder in mich selbst zurückkehren. Ich beende die Übung.
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