Gym Muttenz ON AIR

von Daniel Nussbaumer (Text und Fotos)

„Warum machen wir das hier?“, will Maxine wissen. Gerade versucht sie, sich am Regiepult einen Überblick zu verschaffen, welche Kamera welches Bild aufnimmt und welche Knöpfe sie drücken muss, um von einem Bild aufs andere umzuschalten. „ON AIR“, leuchtet es rot auf dem grossen Display. Heilige Blende und Verschlusszeit! Das Gym Muttenz streamt tatsächlich live aus dem Foyer ins Internet. Hätten wir den Link vorher herausgegeben, die ganze Welt könnte mit nur 10-15 Sekunden Verzögerung zuschauen, wie der Musical-Wahlkurs probt – ohne zu singen, wohlverstanden! Denn wir befinden uns immer noch auf Eskalationsstufe 3. 

Vielleicht werden Kulturveranstaltungen und Abschlussfeiern einmal wieder möglich, aber ohne oder nur mit reduziertem Publikum vor Ort? Für den Moment jedenfalls sind Schauspiel, Choreos, Klavier und eingespielte Musik in diesem ersten grösseren Live-Stream-Test schon Herausforderung genug, um den Umgang mit einem zum Teil neuen Equipment aus vier Kameras, mehreren Mikrofonen, zwei Laptops und mehreren Misch- und Übertragungsgeräten zu lernen. 

Aber warum machen wir das nun wirklich? Irgendwann ist die Pandemie ja vorbei und wir sind alle wieder beisammen und geniessen Kulturevents und Feiern im direkten Kontakt vor Ort. Und sonst gibt es ja immer noch die Möglichkeit, Videokonferenzen über „Teams“ abzuhalten. 

Zunächst ist es ja klar, dass die Ausrüstung nicht nur für den Live-Stream taugt, sondern auch fürs Produzieren eines Filmes, den man noch schneiden und archivieren will. Video ist das Medium der Zukunft: Wer müht sich im Alltag noch mit einer Bedienungsanleitung zu einem Programm oder einem Gerät ab, wenn ein Video-Tutorial auf Youtube alle Fragen beantwortet und sämtliche Tricks zeigt? Das Produzieren von filmischen Beiträgen wird eine Kulturtechnik, mit der sich Firmen und Institutionen sowie Wissenschaftszweige und Kultur in der Öffentlichkeit zeigen und nach aussen kommunizieren. Warum sollte die schulische Bildung in diesem Prozess aussen vor bleiben oder der aktuellen Entwicklung hinterherhinken?

Während Karolina Kowalska ihre Truppe im Schauspiel anweist und Franziska Baumgartner mit Christoph Huldi die musikalischen Einsätze klären und anleiten, zeigt unser Techniker Felix Bitterli zuerst den Schülerinnen und Schülern einer Wirtschaftsklasse, dann denjenigen einer Kunstklasse, wie sie die Szenen am besten filmisch einfangen. Die IT-affinen Lehrerinnen Sophie Dettwiler und Andrea Weckbecker üben den Umgang mit dem Schnittpult, und es wird recht schnell klar, dass einerseits die Kameraleute gute Bilder anbieten müssen, andererseits die Regie schon sehr genaue Vorstellungen und Kenntnisse vom Ablauf einer Show haben sollte, um gute Entscheide beim Live-Schnitt zu fällen.

Wir können uns auch ausserhalb von Krisenzeiten Ereignisse und Kommunikationsformen vorstellen, bei denen wir live im Internet auftreten wollen. Damit solche Events nicht nur den Nutzern einer bestimmten App wie „Teams“ zugänglich sind und damit wir nicht auf eine voll kommerzielle Plattform wie „Youtube“ angewiesen sind, die alle trackt, haben wir mit „Nanoo TV“ einen Schweizer Anbieter gefunden, der uns in einer Weiterbildung dazu befähigt hat und der uns ein Portal öffnet, das frei über einen Internetbrowser ausstrahlt. Jetzt müssen wir noch lernen, wirklich gut mit der Ausrüstung umzugehen. Und das wird dann eine echt herausfordernde Mischung aus technischer und gestalterischer Arbeit.

Und darum machen wir das! Darum sitzen Sie hier am Regiepult, Maxine, und Ihre Kolleginnen stehen hinter einer Kamera und suchen die richtigen Einstellungsgrössen für packende Bilder einer Live-Show. Und auch wenn noch keine andere Schule bisher sowas macht, dann fangen wir jetzt damit an, denn wir sind hier nicht diejenigen, welche einem Trend hinterherhinken oder ihn verpassen, sondern wir sind die Influencer in der Bildung, welche den neuen Trend erst in Gang setzen. Darum sind wir jetzt Gym Muttenz ON AIR.