
Wie schade, dass man die Klänge vom zweiten Teil des Rezitals der Klasse 4M nur bedingt in Bildern und Text festhalten kann! Das denke ich mir, als ich die Aula Polyfeld nach dem Konzert am Samstag verlasse. Hinter mir liegt ein abwechslungsreicher und musikalisch unvergesslicher Abend. Mit dieser Darbietung gehen die beiden Abschlusskonzerte der Musikschwerpunktklasse zu Ende. Die vier Musikerinnen des zweiten Abends – Noemi Messingschlager, Sina Honegger, Saskia Clauwaert und Alexia Brugger – konnten an ihrem Rezital mit den vorbereiteten Stücken zeigen, wie sich ihr Musizieren in den letzten Jahren entwickelt hat. Für das Publikum haben sie ein vielfältiges Programm von Klassik über Improvisation bis zu Musicalstücken zusammengestellt.
Von Lynn Christener (Text und Fotos)
Als zwei Schülerinnen der Klasse 4M die Bühne betreten, legt sich schlagartig das Gemurmel im Publikum. Nach einer kurzen Ansprache von Jasmin Inauen und Josephine Odermatt eröffnet die Sängerin Noemi Messingschlager den Abend mit dem französischen Lied «Tu me dirais» von Cécile Chaminade. Ihr Gesang und die Klänge der Klavierbegleitung von Jürg Siegrist erfüllen die Aula. Auf dieses Lied aus der Romantik folgt das Duett «Domine Deus» zusammen mit Saskia Clauwaert. Das verschachtelte und vielschichtige Stück von Wolfgang Amadeus Mozart löst beim Zuschauer grosse Bewunderung für die beiden jungen Sängerinnen aus. Von der Wiener Klassik führt uns Noemi nochmals zurück in die Romantik mit dem Solostück «Er, der Herrlichste von allen» von Robert Schuhmann. Die zwei folgenden Stücke scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben, da sie aus unterschiedlichen Musikepochen stammen. Sie hätten jedoch inhaltliche und tonartliche Gemeinsamkeiten, erklärt Noemi. Aus diesem Grund verbindet sie das italienische Barockstück «Lascia ch’io pianga» von Georg Friedrich Händel mit dem Popsong «Goodbye My Lover» von James Blunt. Die Stücke gehen beinahe nahtlos ineinander über, sodass sie den Zuhörer in eine ganz besondere Stimmung versetzen. Noemi schliesst ihren Auftritt mit zwei Musicalstücken ab. Mit theatralischer Gestik unterstreicht sie die Bedeutung des Textes, welcher bei den beiden Songs «I’m a Stranger here Myself» von Kurt Weill und «Art is Calling for me» von Victor Herbert, von der Liebe handelt. Noemi hat auf jeden Fall eine sehr vielfältige Stückauswahl getroffen und diese mit Leidenschaft für den Gesang vorgetragen.
Das ganze Griffbrett und Penicillin
Als zweite Musikerin des Abends tritt Sina Honegger mit ihrer klassischen Gitarre ins Rampenlicht. Sie setzt sich auf einen Klavierstuhl und stimmt ihr Instrument. Wie Noemi zuvor begrüsst auch sie das Publikum und stellt uns ihr Programm vor. Als erstes ertönen die unbegleiteten Zupfklänge einer Partita in a-Moll von Johann Anton Logy, welche ursprünglich für eine Barockgitarre verfasst wurde. Während dem Spielen schweift ihr Blick von den Noten zum Griffbrett und wieder zurück, was eine tiefe Verbundenheit zu ihrem Instrument ausstrahlt. Zu dieser ersten Melodie bildet das darauffolgende Improvisationsstück «Cells 2014» einen starken, aber angenehmen Kontrast. Es besteht aus mehreren vorgegebenen Elementen des Komponisten Bruno Agnoli, welche Sina beliebig zusammensetzt. Es wirkt auf mich als Zuhörerin sehr sphärisch und modern. Die Musikerin nutzt das ganze Griffbrett der Gitarre, um die Tonwelt des Instruments vollständig auszuschöpfen. Mit den beiden klassischen Stücken «Preludio No. 2» und «Prélude No. 1» lässt sie das Publikum einmal mehr in der Zeit reisen und eine neue Seite des Gitarrenspiels entdecken. Ein weiterer abwechslungsreicher Auftritt, welchen Sina mit einem Trio zusammen mit Salomé Héritier und ihrem Gitarrenlehrer Bruno Agnoli abschliesst. Es erklingen die für drei Gitarren arrangierten drei Sätze des «Concerto d-Moll Op.3, No. 11, RV 565» von Antonio Vivaldi.
Als Abschluss der ersten Hälfte des Konzerts treten alle SchülerInnen der Klasse 4M auf die Bühne und tragen gemeinsam als Chor das Stück «4. Friday 28 September 1928: The Discovery of Penicillin» von Bob Chilcott vor.

In der 20-minütigen Pause können sich die MusikerInnen und Konzert-BesucherInnen an einem grosszügigen Buffet mit salzigen und süssen Snacks versorgen. Es wird viel gelacht und geredet, den beiden Musikerinnen der ersten Darbietungen wird herzlich gratuliert. Die Pizzaschnecken und Muffins sind rechtzeitig zum Pausenende aufgegessen und das Publikum begibt sich wieder auf seine Plätze. Alle sind gespannt auf die zwei letzten Auftritte des Rezitals 2022.
Saiten und Gesang
Wie auch beim ersten Teil des Abends folgt eine instrumentale auf eine gesangliche Darbietung. Saskia Clauwaert, welche wir zu Beginn des Abends schon das Duett mit Noemi Messingschlager haben singen hören, erweitert ihr Repertoire mit dem französischen Lied «Pleure Dans Mon coeur» von Claude Debussy und dem italienischen Stück «Tu del ciel ministro eletto» von Händel. Auch bei diesen anspruchsvollen Stücken entführt Saskia die ZuhörerInnen in eine andere, fast sorglose Welt. Es folgt das eher unbekannte Lied «Der Gärtner» des Schweizer Komponisten Willy Burkhard. Saskia überzeugt mit ihrem Gesang den Zuhörer, dass dieses Lied berühmt werden sollte. Das aus derselben Zeit stammende Lied «One life to live» von Kurt Weill bildet einen sprachlichen und musikalischen Kontrast zum vorhergehenden Stück. Den Abschluss von Saskias Auftritt bildet das Lied «Lorelei» von Clara Schumann. Wie Noemi wurde auch Saskia bei all ihren Stücken von Jürg Siegrist begleitet. Die beiden Sängerinnen, welche Stücke aus unterschiedlichen Epochen und in fünf verschiedenen Sprachen vortrugen, nahmen die ZuhörerInnen mit auf eine Reise durch Zeit und Raum.
Als letzte Musikerin des Rezitals lässt Alexia Brugger das Publikum die Klangwelt des Violoncellos kennenlernen. Mit dem ersten Satz, dem Largo des Barockstücks «Cello Sonata RV43» von Antonio Vivaldi, beginnt sie ihr Programm. Der weiche Klang ihres Violoncellos und die sanfte Klavierbegleitung von Alessandro Tardino lassen den Zuhörer den stressigen Alltag vergessen und tief in die Welt der Musik eintauchen. Im Allegro, dem zweiten Satz des Stücks, gehen die weichen Klänge in kräftigere und schnellere Bogenstriche über, welche mich noch weiter in diese andere Welt hineintragen. Der Kontrast zu diesem ersten Stück bildet die «Sonata No.1 in e-Moll». Die melancholischen Melodien in Moll wurden komponiert von Bernhard Romberg. Auch diese drei Sätze werden von Alexia mit viel Gefühl und Charakter vorgetragen und lassen das Violoncello in all seinen Klangfarben erstrahlen. Alexia beendet ihren Auftritt mit der tänzerischen «Tarantella» von William Henry Squire. Für die schnelle Musik lässt die Musikerin den Bogen über die Saiten und die Finger über den Instrumentenhals tanzen. Bei den höchsten Tönen rutschen diese fast bis auf den Steg. Mit diesem anspruchsvollen Stück geht auch das letzte Rezital zu Ende.
Mit dem Song «Goodnight Sweetheart», wieder vorgetragen von der ganzen Abschlussklasse des Musikschwerpunktes, einem heftigen Applaus des Publikums und Blumen für die Musikerinnen und deren Lehrer endet der Abend und die verzauberten Konzertbesucher werden in die Realität zurückgeholt. Doch auf dem Heimweg klingen noch immer die hellen, dunklen, weichen, leisen und lauten Melodien in meinen Ohren nach.





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