„Wir können die Grenzen nicht einfach schliessen“

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Gleich in unserer Nachbarschaft soll über der ehemaligen Mülldeponie Feldreben das grösste Registrierungszentrum für Flüchtlinge der Schweiz entstehen. Der Bund will hier 500-900 Menschen gleichzeitig unterbringen. Hier werden die Ankommenden während zwei bis drei Wochen registriert und danach auf die Asylheime der ganzen Schweiz verteilt. Laut der Lokalpresse haben besorgte Eltern und Anwohner eine Petition eingereicht. Sie bitten den Standort des Registrierungszentrums zu überdenken. Sie sagen: „Die jungen Asylsuchenden haben Zeit, nichts zu tun (…) und sind doch voller Energie und Kraft“ und man müsse die Freiheit und Ordnung in unserem christlichen Abendland verteidigen. Die bereits auf Ende April geplante Eröffnung wird gemäss der neuesten Meldung vom 9.3. nun verschoben, weil der Kanton ein weiteres toxikologisches Gutachten in Auftrag gegeben hat. Yaren Davutoglu (Klasse 3E) hat unsere Rektorin Brigitte Jäggi um eine Stellungnahme angefragt.

von Yaren Davutoglu (Interview) und Daniel Nussbaumer (Text und Fotos)

Frau Jäggi, teilen Sie die Besorgnis der Petenten?

Brigitte Jäggi: Den Schulleitungen hier vor Ort (Gewerbeschule, KV und Gymnasium) wurde erklärt, dass im Feldreben Platz sei für ein Registrierungszentrum, in dem Wohneinheiten zu sechs bis acht Personen, Aufenthaltsräume und Sportmöglichkeiten eingerichtet werden können. Die Ankommenden würden sofort registriert und mit einem Ausweis versehen. Securitas werde vor Ort sein. Wer hinaus- und hineingehe, müsse sich immer ab- und wieder anmelden. Zusätzlich werde eine Hotline eingerichtet, mit der man sich bei einem Problem sofort mit der Behörde verbinden könne. Die Leute würden nur acht bis zwölf Tage hier leben und dann sehr beschäftigt sein mit Befragungen und Gesundheits-Checks. Diese Leute bekämen keinen Terminplan mit Freizeit, in der sie frei herumspazieren könnten. Sie sollen immer greifbar sein.

Brigitte Jäggi (Foto: Nu)
Brigitte Jäggi (Foto: Nu)

Sind Sie persönlich besorgt um die Sicherheit der Schülerinnen?

Ich nicht, nein. Das Sicherheitsgefühl der Schülerinnen und Schüler hängt von der Kommunikation auf mehreren Ebenen ab. Einerseits sollen die Ankommenden sofort aufgeklärt werden, wie unsere Kultur hier funktioniert, wie man hier miteinander umgeht. Zudem haben wir Schulleitenden von den Betreibern des Registrierungszentrums verlangt, dass sie einen Brief zuhanden der Eltern schreiben, der sie darüber informiert, worum es sich beim Registrierungszentrum genau handelt. Wahrscheinlich werden die Schulen hier auch eine Info-Veranstaltung für die Schülerinnen und Schüler machen.

Wird es einen Kontakt zwischen unserer Schule und dem Registrierungszentrum geben?

Wir haben das auch gefragt. Aber ein Kontakt ist schwierig. Diese Flüchtlinge sind nur kurz da und in dieser Zeit sehr beschäftigt. Zudem sind nicht wenige traumatisiert. Man kann nicht einfach hineinspazieren und fragen: „Hallo, wie geht es euch? Erzählt doch mal, wie das so war mit den Bomben in Syrien!“ Allenfalls ist mal eine Begegnung über ein kleines Konzert oder über gemeinsames Singen möglich. Noch mal: Die Leute, die nach Muttenz kommen, sind nur kurz zur Registrierung da und werden danach auf die Asylzentren der Schweiz verteilt. Begegnungen und Kontakte sind eher gut mit Leuten, die länger an einem Ort sind, wie das kürzlich im interdisziplinären Projekt Migration stattgefunden hat (der „Entfalter“ berichtete).

Denken Sie, dass die Reaktion der Anwohner aufgrund des Vorfalles in Köln so heftig ausgefallen ist?

Nach den Vorfällen in Köln ist diese Besorgnis gestiegen. Man muss aber sehen, dass hierher Menschen kommen, die geflüchtet sind, weil sie in ihrer Heimat keine Sicherheit mehr hatten. Uns als Bürgerinnen und Bürgern eines wohlhabenden Landes steht es gut an, dass wir uns fragen, wie wir diesen Leuten helfen, wie wir sie hier integrieren können. Klar, das ist eine Arbeit, die von beiden Seiten geleistet werden muss. Wir sollten uns überlegen, wie wir das am besten tun. Und wir werden das tun müssen. Wir können die Grenzen nicht einfach schliessen.

Ist die ehemalige Chemiemüll-Deponie der geeignete Ort, um Menschen unterzubringen?

Zwar mutet es seltsam an, dass ausgerechnet an einem solchen Ort ein Registrierungszentrum eingerichtet wird. Allerdings wurden wir so informiert, dass die Schadstoffmenge, der diese Menschen in der kurzen Zeit ausgesetzt sind, keine gesundheitsgefährdende Dosis erreicht. Das wurde speziell noch mal überprüft. Der grosse, leerstehende Gebäudekomplex eignet sich gut für eine solche Einrichtung. Hier ist es möglich, alles Nötige an einem einzigen Ort einzurichten. Ein Herumreisen der Flüchtlinge zu Ämtern und Ärzten ist nicht nötig. Der gemeinsame Aufenthalt ermöglicht in diesen Gebäuden auch, dass sich die Flüchtlinge von ihren Erfahrungen gegenseitig erzählen und einander bei der Bewältigung helfen.