Sprache ist mehr als tausend Worte!

von Brigitte Jäggi, Rektorin (Foto: Nu)

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Reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist – das ist keine Kunst. Ob einem jemand lange dabei zuhören möchte? Der Unterschied zwischen freiem Sprechen und gutem Reden liegt im Bewusstsein für die Sprache. Und wie erlangt man dieses Bewusstsein? Indem Sprache, auch die Muttersprache, systematisch gelehrt und gelernt wird. Orthographie, Grammatik und Syntax, aber auch die richtige Anwendung von Stilmitteln schärfen das Bewusstsein für eine adäquate Sprache. Nicht von ungefähr sind wir dann Handelnde, wenn wir unserer Sprache mächtig sind, das Gegenteil davon wäre passive Sprachlosigkeit.

Sprache ist omnipräsent. Wir schulen sie nicht allein im Deutsch- oder im Fremdsprachenunterricht, sondern sie muss in allen übrigen Fächern richtig eingesetzt werden und findet so ihre praktische Anwendung. Wie herausfordernd ist es, in der Kunstbetrachtung Inhalt und Aussage eines Bildes in die richtigen tausend Worte zu fassen? Umgekehrt kann man in der Mathematik eine Textaufgabe erst dann in eine Gleichung übersetzen, wenn man sie richtig verstanden hat. Und nicht zuletzt eröffnet einem die Sprachbeherrschung auch den Witz fehlerhafter Sprache: „Der Unbekannte war in Bekleidung von zwei blonden Frauen.“

Sprache als schulischer Selbstzweck? Keinesfalls! Eine angemessene, bewusste Ausdrucksweise ist auch im Alltagsleben hilfreich, denn diese ermöglicht es einem, in den unterschiedlichsten Situationen richtig zu reagieren. Wie redet man mit Menschen in einer existentiellen oder seelischen Notlage? Wie drücke ich mich aus gegenüber Menschen aus anderen Kulturen? Oder gar: Wie geht man mit einem aggressiven Gegenüber um? Neulich hat die Rektorin der Universität Basel, Andrea Schenker-Wicki, eindringlich die Beherrschung von Sprachen, einschliesslich der deutschen, gefordert. Und im Rahmen der Berufsorientierung für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten meinte der Berufsfachmann gar, dass fehlerhafte Bewerbungsschreiben aussortiert werden.

Gerade die Vermittlung dieser Sprachkompetenzen ist unserer Schule ein zentrales Anliegen. In allen Fächern des Gymnasiums und der FMS legen die Lehrpersonen grossen Wert auf die Anwendung der Sprache, sei es als Sprache des Unterrichts, sei es die Terminologie des Fachs selbst. So vorbereitet können wir unsere Schülerinnen und Schüler mit gutem Gewissen auf ihren weiteren Ausbildungsweg gehen lassen. Manchmal jedoch wird man mit Menschen konfrontiert, die sich nicht an die Gepflogenheiten der Sprache halten, sei es in der realen oder in der virtuellen Welt. Und da heisst es mitunter auch, besser höflich zu schweigen als loszureden, wie einem der Schnabel gewachsen ist!