Nach dem Last Stage kommt das First Stage

von Daniel Nussbaumer (Text, Video und Fotos)

Freifach Chor: gestrichen! Verdi-Requiem: abgesagt. Klassensingen: verboten! Wahlkurs-Musical: Aufführung verschoben auf die Zeit nach dem Maturaabschluss! Aber die Hoffnung auf eine Rückkehr des Kulturlebens an der Schule stirbt zuletzt. Und träumen wird man ja wohl noch dürfen. Anlass dazu gaben die First Stage Konzerte der Musikmaturand*innen. Wir nehmen hier vom zweiten Abend ein Ohr voll Emotionen mit in den von Schutzmassnahmen geprägten Schulalltag.

Unweigerlich kommen am Mittwochabend Erinnerungen an das „Last Stage“ der vormaligen Musikmaturand*innen hoch. Wieder sind wir in der Aula Polyfeld, wieder ist der Anlass geprägt von Schutzmassnahmen. Während aber damals Helena und Gina noch ohne Maske singen durften, durchdringen heute alle fünf Sängerinnen und ein Sänger mit ihrer Ausstrahlung, aber nicht mit ihren Aerosolen, ihre Schutzmaske. Und wieder sind wir hinter der Kamera und schauen, hören und geniessen, was der Abschlussjahrgang des Schwerpunktfaches Musik gelernt hat. Dieses Mal hängt die Kamera am Abschlussgeschenk der damaligen 4MS, einem Gurt mit der Aufschrift der Klasse und eines Satzes, der in jedem Aufsatz verboten ist.

Der Jahrgang damals – so lässt sich aus der Rückschau sagen – hatte Glück. Alle Auftritte mit Chören, Orchestern und mit dem Musical waren möglich. Die Schullaufbahn endete im Fernunterricht, aber es entfielen alle Maturprüfungen. Weil die Musiker*innen damals ihr Können nicht in den Rezitals unter Beweis stellen konnten, verabschiedeten sie sich mit einem Last Stage Konzert.

Die jetzigen Musikmaturanden dagegen mussten wie alle anderen ihres Jahrgangs ihre Maturaarbeit im Lockdown beginnen und darin ihre Ziele flexibel den Einschränkungen anpassen. Und jetzt werden ihnen fast alle Auftritte gestrichen, bloss nicht die Maturprüfung.

Am First Stage präsentieren die Musikmaturand*innen beinahe schon traditionsgemäss ihr geplantes Rezital-Programm. Für diesen Anlass unter den speziellen Bedingungen der Schutzvorschriften bekommen wir davon nur einen Ausschnitt zu hören. Gesang im Duett geht nicht, aber dass Singen und das Spielen von Blasinstrumenten überhaupt noch geht, wollen wir erleben. Denn sie, die Schüler*innen im Schwerpunktfach Musik mit der Stimme als Instrument, sind die Einzigen, die das an der Schule noch dürfen. Sie tun dies an diesem Abend in rascher Abfolge, aber mit leidenschaftlicher Hingabe. Hätten wir die Augen nicht auf die Bühne und nicht auf das Kameradisplay gerichtet, sondern für einmal geschlossen, wir bekämen fast nicht mit, dass die Sängerinnen und der Sänger tatsächlich die Aula Polyfeld durch die Schutzmaske beschallen müssen, bei den meisten Stücken ohne Mikrofon. Klarinette, Klavier, Cembalo, Akkordeon und Trompete erklingen sowieso gänzlich ungebremst.

Alles findet zwar in einem grossen Saal, aber in einem kleinen Personenkreis statt. Die zum Teil doch eher verhaltene Reaktion des Publikums auf die gebotene Leistung deutet darauf hin, dass wir nach dieser Krise erst wieder das unbeschwerte Jubeln lernen müssen. Und so hören wir heute Abend meistens erst am Schluss jeder Performance einen wirklich warmen und verdienten Applaus. Denn was wir erleben, ist nicht einfach eine Kraftanstrengung und der Beweis, dass Kulturveranstaltungen noch möglich sind, sondern es ist die gelungene Interpretation von unterschiedlichsten Stücken aus verschiedenen Epochen und Zeiten, alles auf einem Niveau, das nur darauf wartet, mit einem letzten Schliff bis zu den Rezitals an der Matur zu glänzen.