Gut beraten

Der Schulrat darf, was niemand darf: den Lehrpersonen auf die Finger klopfen, wenn sie ungerechte Noten machen, der Rektorin ein Zeugnis ausstellen, die Schulleitung anstellen und mitbestimmen, wenn es wirklich hart auf hart geht und jemand entlassen werden soll. Es wird Zeit, in unserem Blog dieses Gremium und sein Engagement für die Schule endlich vorzustellen.

von Daniel Nussbaumer (Text und Fotos)

Als wir uns im Januar kennen lernten, durften wir unsere Gesichter noch zeigen. Sie wollten unsere sehen und wir ihre. Wir – das ist das, worin Sie herumklicken: der «Entfalterblog». Sie – das sind die Frauen und Männer, die Ihnen auf dem Foto zulächeln: der Schulrat. Bei unserem ersten Treffen in der Mediothek haben wir von uns erzählt, von unserer Aufgabe, den Unterricht und das Leben sowie die Kultur und die Atmosphäre an unserer Schule zu dokumentieren und zu zeigen. Und wir haben die Schulrätinnen und Schulräte vor die Kamera gebeten, damit wir sie den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrpersonen zeigen und vorstellen können. Denn ihre Gesichter und ihre Namen sind vielen, die an der Schule lernen und arbeiten, nicht bekannt. Das liegt daran, wie der Schulrat zusammengesetzt wird, wie er arbeitet und wofür er zuständig ist. Die Schulrätinnen und Schulräte unseres Gymnasiums stammen aus dem Kanton Basel-Landschaft und aus dem Aargau. In Baselland ernennen die politischen Parteien die Schulräte, im Aargau setzt der Regierungsrat sie direkt ein. Einmal konstituiert, tagen sie regelmässig unter Geheimhaltung. Beratend dabei sind die Mitglieder unserer Schulleitung, zwei Lehrpersonen-Vertreter und zwei Vertreterinnen der Schülerschaft. Das alles klingt zwar kompliziert, fast sogar ein wenig unheimlich. Tatsächlich aber haben wir vom «Entfalter» den Schulrat als eine wohlwollende und interessierte Gruppe erlebt, sodass wir uns auf eine Gegen-Einladung mit zwei Vertreterinnen gefreut haben. Doch dann kam der Lockdown im Frühling und wir mussten dieses Wiedersehen verschieben.

Beim zweiten Versuch klappt es

Zum zweiten Treffen im Herbst haben wir die Präsidentin des Schulrates, Susanna Käch, und Caroline Schmid eingeladen. Von ihnen beiden wollen wir nun genauer wissen, wie der Schulrat seine Arbeit definiert und seine Verantwortung wahrnimmt. Unsere und ihre Gesichter begegnen sich im Oktober zunächst unter einer Maske verhüllt. Die Schulratspräsidentin Susanna Käch nimmt ihre medizinische Einwegmaske ab, die Schulrätin und Bildungsrätin Caroline Schmid entledigt sich ihrer dunkelblauen, vom Arbeitgeber gesponserten Maske, und beide setzen sich in genügendem Sicherheitsabstand an je einen desinfizierten Tisch. Jetzt sind wir dran mit unseren Fragen. Und schon nach der ersten Frage strömt eine Brise Betriebswirtschaftslehre mit militärischen Begriffen in den Raum: «Der Schulrat ist verantwortlich für die strategische Führung der Schule», lässt die Präsidentin Susanna Käch verlauten. Die SP-Politikerin fährt fort: «Im Schulprogramm ist der ganze Betrieb geregelt und wir genehmigen dieses Schulprogramm. Wir leiten die Schule nicht operativ, sind aber Anstellungsbehörde. Wir wählen auf Antrag der Schulleitung die Lehrpersonen. Zudem sind wir die zweite Rekursinstanz nach der Schulleitung.» Zusätzlich möchte der Schulrat der Schule in der Öffentlichkeit den Rücken stärken und sich für sie einsetzen. Caroline Schmid kann dies auch in ihrer weiteren Funktion im Bildungsrat tun. «Das ist dann jeweils auch eine Gelegenheit, die eigenen Erkenntnisse aus dem Schulrat in den Bildungsrat einzubringen und auch Werbung für das Gymnasium zu machen. Gerade was das Fach Informatik und die Ausbildung angehender Informatiklehrpersonen betrifft, ist das Gymi vorbildlich unterwegs», fügt die SVP-Politikerin an.

Schulrätin und Bildungsrätin Caroline Schmid: «Sogar in der Privatwirtschaft wird ein CEO noch von einem Verwaltungsrat kontrolliert.»

Flight Attendant und Wirtschaftspsychologin

Schmid zeigt sich begeistert von grossen Konzerten des Chores, nimmt gerne an Abschlussfeiern teil und bringt bei der Neuanstellung von Lehrpersonen ihre Erfahrungen im Bereich Human Resources bei der Basler Versicherungen ein. Sie hat ihr erstes Geld nach dem Maturitätsabschluss mit Schwerpunkt Latein anderthalb Jahre lang bei der Swissair als Flight Attendant verdient und bezeichnet diese Tätigkeit als «echte Lebenserfahrung zu einem Hungerlohn». Danach stand sie vor der Entscheidung, entweder das Lehrerseminar zu absolvieren, die Tourismusfachschule zu besuchen oder Psychologie zu studieren. Das Psychologiestudium bekam den Zuschlag, insbesondere die Wirtschaftspsychologie weckte Schmids Interesse. Ein Praktikum bei der Baloise in der Führungsentwicklung war nach dem Bachelor-Abschluss das Eintrittsticket in die Wirtschaftswelt. Schmid absolvierte nach dem Studiumsabschluss das Trainee-Programm bei der Baloise, betreute dort Hochschulabsolventinnen und -absolventen, engagierte sich in der Lehrlingsausbildung und prägte den neuen WMS-Lehrgang mit. Schliesslich wechselte sie in den Bereich Human Resources und ist heute die strategische Assistentin des Personalchefs. Sie leitet dort Projekte über Diversität und fördert Frauen in Kaderstufen.

Laborantin und Mitglied der Drogenkommission

Alle Schulrätinnen und Schulräte sind zwar von ihrer jeweiligen Partei nominiert, sie bringen aber vor aller Partei-Ideologie ihre individuelle Erfahrung und Meinung in die Schule ein. «Klar, merkt man bei manchen Themen, wie z. B. Finanzen, woher jemand kommt», meint die Präsidentin Susanna Käch, aber die Diskussionen laufen in einer freundlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre ab, geben uns die beiden Schulrätinnen zu verstehen. Und so bekommen wir einen Einblick in den Werdegang der Präsidentin: Susanna Käch hat die Handelsschule absolviert, war kurz in England und hat dann gemerkt, dass sie ihre Zukunft nicht im kaufmännischen Bereich sieht. Sie tauschte das Büro gegen das Spital und lernte medizinisch-biologische Laborantin, wechselte dann vom Kantonsspital in den fabrikärztlichen Dienst der Ciba-Geigy und eignete sich Röntgen-Kenntnisse an, um Mitarbeitende nach Arbeitsunfällen medizinisch gut betreuen zu können. Sie blieb jedoch nicht bei der Chemiefirma, sondern war später bei verschiedenen Fachärzten angestellt. Als Vertreterin der Schulen war sie zudem zwölf Jahr lang tätig in der regierungsrätlichen Drogenkommission. Sie leitete Erwachsenenbildung und fungiert als Friedensrichterin. Sie überblickt die Entwicklung der Bildungspolitik seit geraumer Zeit und zeigt sich im Gespräch erleichtert darüber, dass die gymnasiale Abteilung in Muttenz erhalten bleibt. Käch ist überzeugt, dass unsere Schule auch mit ihrem speziellen Profil, dem SLSplus, und mit der Vorreiterrolle bei der Digitalisierung zeigen konnte, dass hier wichtige Arbeit geleistet wird. Die demografische Entwicklung tendiere sowieso dazu, dass wieder mehr Schülerinnen und Schüler ins Gymnasium und in die FMS einträten und dass ein künftiger Wegfall des Fricktals dadurch kompensiert werde. Schmid ergänzt, dass sie es auch wichtig findet, immer wieder einmal eine Standortbestimmung oder eine Analyse durchzuführen, um objektiv eine Einschätzung vorzunehmen. Die Tendenz der demografischen Entwicklung sieht auch sie. Sie regt aber an, dass Schulabgängerinnen und -abgänger vom P-Profil auch eine Berufslehre mit Berufsmatura starten könnten, wenn ihnen dies eher zusage.

Schulratspräsidentin Susanna Käch: «Der Schulrat ist verantwortlich für die strategische Führung der Schule»

Ein CEO ohne Verwaltungsrat?

Angesprochen auf den Beschluss der BKSD, die Kompetenzen des Schulrates künftig einzuschränken, äussern beide Schulrätinnen ihr Bedauern. Die Präsidentin meint, der Job im Schulrat verliere natürlich an Attraktivität, wenn Entscheidungsbefugnisse über Rekurse und über die Einstellung von Schulleitung und Lehrpersonen verschwänden. Die Schule werde dann sehr viel direkter von der BKSD verwaltet. Andererseits werde die Position der Schulleitung gestärkt: «Wenn ein Rektor oder eine Rektorin eigenmächtig Lehrpersonen und seine Schulleitungskollegen auswählen kann, ohne dass gewählte oder ernannte Volksvertreter mitbestimmen können, ist das auch ein Demokratieverlust», konstatiert Käch. Es sei überdies noch unklar, bei welcher Instanz überhaupt noch gegen einen Entscheid der kantonalen Fachstelle Einsprache eingelegt werden könne.

Aus Schmid spricht die Politikerin mit Wirtschaftserfahrung: «Sogar in der Privatwirtschaft wird ein CEO noch von einem Verwaltungsrat kontrolliert.» Zwar solle man Konstrukte immer wieder kritisch überdenken. Schmid würde aber, wenn Handlungsbedarf bestehe, wohl eher direkt beim Schulrat und seinem Wirken ansetzen, als ihm pauschal Kompetenzen wegzunehmen. Zum Schluss des Gesprächs bitten wir die Schulrätinnen noch um einen strategischen Rat für unsere künftige Schul- und Unterrichtsentwicklung. Auch hier sind sich die beiden Vertreterinnen von SP und SVP einig und wir zitieren sie deshalb in einem unmaskierten Atemzug: «Jugendliche sollen sich gutes Fachwissen aneignen, verantwortlich handeln und sich eine eigene Meinung bilden können. Sie sollen lernen, mit Kritik umzugehen. Die Schule soll Perspektivenwechsel ermöglichen, die Lehrpersonen sollen dies auch bei sich selbst pflegen. Bleibt weiterhin eine innovative Schule, festigt euren Ruf, behaltet das MINT-Label und treibt die Digitalisierung weiter voran! Das ist die Zukunft.» Während dieser Appell nachhallt, setzen wir unsere Masken wieder auf, die Schulrätinnen tun es uns gleich. Wir verlassen das Sitzungszimmer mit dem Eindruck, dass wir unsere Gesichter nicht nur gewahrt, sondern einander auch gezeigt haben.