Was habt ihr früher gemacht?

Ein farbenfroher Hippie-Bus, ein Jugendlicher, welcher der Polizei die Stirn bietet, und daneben ein Technobunker, in welchem kleine, bunte Pillen Stimmung induzieren. Beim Betreten des Foyers wird schnell klar, dass junge Künstler*innen sich hier in ihrem Element wiederfanden. Die Ausstellung im Gymnasium Muttenz gibt Einblick in die Jugendszenen des letzten Jahrhunderts und der Neuzeit.

Von Simon Notz (Text, Titelfoto und Foto im Text)

Als Jugendliche*r wird man von allen Seiten in Richtungen gedrängt und in Vorstellungen gezwängt, in welchen man die erloschenen Träume unserer Eltern wiedererkennt. Dass wir aber unsere eigenen Träume haben und die Geschichte unseres Lebens selbst schreiben möchten, gilt als nebensächlich. Denn die Ausbildung gilt als Fundament, für welches gnadenlos gepaukt werden muss, damit man die Sicherheit hat, die nächsten 40 Jahre arbeiten zu können. Doch dass die Vorstellung, in dieses Hamsterrad eingespannt zu sein, vom einen oder anderen, noch verträumten Jugendlichen als unmenschlich empfunden wird, ist nachvollziehbar. Denn als Jugendliche*r möchte man eigene Werte entwickeln und unvoreingenommen die Welt entdecken. Dies führt bei vielen zu Streit im Elternhaus. Und wie sich Arbeiter*innen in Gewerkschaften zusammenschliessen, um den Arbeitgebenden mit Streik und Parolen die Ohren zu waschen, formen und formten die Jungen die sogenannten Jugendbewegungen, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen. 

Die ersten Jugendbewegungen sprossen Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Boden. In dieser Zeit bildeten die «Wandervögel» den ersten Zusammenschluss von Heranwachsenden, welche demonstrativ und um der Freiheit Willen in der Natur wanderten. Für etwas, was man in heutiger Sicht häufiger tun sollte, galten diese Frevler*innen in der damaligen Gesellschaft als arbeitsverweigernde Faulenzer. Damit bildeten sie den ersten Schritt gegen die strikten Moralvorstellungen der Alten.
In den Fünfzigern bewegten Künstler wie Chuck Berry und Jerry Lee Lewis die Jugend. Mit ihrem neuen «Rock n Roll» standen sie im Mittelpunkt. Es hiess, es sei “richtige” Musik zu hören, von “richtigen” Künstlern wie Sinatra oder Dean Martin und nicht dieser obszöne Lärm, der sich Musik schimpfte. Die “Halbstarken” mit ihren Lederjacken konnten sich jedoch nichts anderes mehr vorstellen.
Zehn Jahre später tourten die Pilzköpfe durch die Welt und wieder wurden Eltern enttäuscht, die meinten, sie hätten es besser gemacht. Der Untergang der alten Werte werde auch zu dem der Gesellschaft führen, so der allgemeine Tenor.
In den 60er- und 70er-Jahren kursierten Slogans wie «Make love not war» oder «Sex, Drugs and Rock ‘n’ Roll», welche die Hippies und Stones-Anhänger*innen wörtlich nahmen. Die älteren Generationen wurden regelrecht zum Schäumen gebracht. Die Provokation der “Spiesser”, in diesem Kontext fast alle, die das dreissigste Lebensjahr überschritten haben, ist in jeder Generation als ein zentraler Aspekt zu beobachten.

Mit diesen Rebellierenden setzten sich auch die Schüler*innen der Klasse 2MZ auseinander. Sie wurden im Verlauf ihres ersten interdisziplinären Projektes beauftragt, eine Arbeit zu schreiben, welche die Fächer Geschichte und Bildnerisches Gestalten kombinierte. Die Aufgabenstellung beinhaltete die weitreichende Recherche zu einer selbstgewählten Jugendbewegung, ein Interview mit einem damals aktiven Mitglied zu führen und dann das gesammelte Wissen in ein kreatives Produkt einfliessen zu lassen. Alle Gruppen machten sich ans Werk und schufen mit ihren Projekten einen Querschnitt der Jugendbewegung der letzten Jahrzehnte. Von der «68-Bewegung», die sich für eine sozialere Gesellschaft einsetzte bis hin zur «Pride», deren Fahnen heute noch für die «LGBTQ+ Community» flattern. Zur Begutachtung wurden die Werke im Foyer des Gymnasium Muttenz ausgestellt.

Eine dieser Gruppen, welche sich mit dem Thema Hip-Hop befasste, stellte eine typische Wand in einer Seitenstrasse nach, auf welche mit grossen Schablonen das Wort «Hip-Hop» gesprüht worden war, ein sogenanntes «Stencil». Links davon steht ein Speaker, aus welchem die Rhymes des Basler Rappers «Black Tiger» erklingen und daneben ein Poster, das mit dem persönlichen «Tag» versehen werden kann, die eigene Unterschrift und oft auch das Motiv grösserer «Pieces», welche aus rechtlichen Gründen nicht aus dem eigenen Namen bestehen sollte.
Strassenkünstler*innen müssen immer auf der Hut sein, wenn sie auf den Strassen ihre Ideen verwirklichen. Einerseits müssen sie sich in Acht nehmen, wenn sie das Werk anderer Künstler*innen «crossen», also übersprühen, denn für viele ist Hip-Hop ein Lebensstil und solch ein Vergehen zieht Konsequenzen mit sich. Andererseits muss man der Polizei, vor allem den «Zivis» (Polizist*innen in Zivilkleidung) einen Schritt voraus sein. Denn «Streetart» gilt in der Schweiz als Vandalismus und wird mit hohen Geldstrafen und bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe gebüsst.

Dann werfen wir einen Blick auf den Technobunker – ein weiteres Ausstellungsstück. Bestehend aus einem viereckigen schwarzen Würfel, auf welchem kleine, farbige Männchen die Berliner Strassen während der Love Parade betanzen. Das Innenleben erinnert an das «Berghain» und den «Tresor», die Urgesteine der Berliner Klubszene, und kann durch eine kleine Tür bestaunt werden. Drinnen bebt ein Dancefloor mit «Crowd», eine Bar, welche wahrscheinlich nur die Hälfte des Konsums deckt und ein DJ, der vor der Meute Techno pumpt. Das Äussere des Würfels ist mit Ausdrücken der «Raveszene» gedeckt, welche von einer Clubtoilette stammen könnten. Die Begriffe beschreiben hauptsächlich Substanzen oder Musikrichtungen, deren Betitelung sich auch überschneiden. Zu bemerken ist die Vielfalt an unterschiedlichen Menschen und dass diese trotz ihrer Unterschiede zusammen, als eine Einheit, zum Rhythmus der Musik tanzen. Das soll veranschaulichen, dass es in der Technoszene nicht nur um exzessiven Drogenkonsum und die Distanzierung von Verantwortung geht, sondern dass auch hier gemeinschaftliche Werte gepflegt werden und sich jeder willkommen fühlen soll.

Im Rahmen der Ausstellung konnte man über das gesamte Foyer hinweg folgende Ausstellungsstücke begutachten:

  • Den farbenfrohen Volkswagenbus der Hippies, in welchen man sich sogar hineinsetzen konnte.
  • Die «Pride» Ausstellung, welche für die Liberation der Sexualität einsteht.
  • Den Jugendlichen mit Pflanzen auf dem Kopf, welcher die Polizei davon abhalten wollte, die Alte Stadtgärtnerei zu schliessen.
  • Die Hip-Hop Ausstellung, bei welcher man die Tracks von «Black Tiger» hören und sich gleichzeitig mit seinem «Tag» verewigen konnte.
  • Das Skater Projekt, in welchem man mit einer speziellen Brille die Vorfahren der Skater entdecken konnte.
  • Die «68er-Bewegung», verbildlicht über die Darstellung einer Demo mit Polizeirepression.
  • Den Technowürfel, der einen typischen Einblick in einen Rave Alltag illustriert.
  • Die Demo-Banner der Krawalle von «Züri brännt».
  • Den Sexshop der britischen Punkband “The Sex Pistols”, bestückt mit szenegetreuen Kleidern.

Galeriefotos von Daniel Nussbaumer: