Nicht jeder Albtraum ist ein FAKE

Der Musical-Wahlkurs zeigte am 23. und 24. Februar  im Theater Roxy in Birsfelden „FAKE – The Musical“, eine Adaption des Musicals „Heathers“ von Laurence O’Keefe und Kevin Murphy. Leider konnten nur zwei von vier Vorstellungen stattfinden. Hier berichten wir, was wir erlebt, und zeigen, was wir gesehen haben.

Von Daniel Nussbaumer
Fotos: Ida Weiss und Daniel Nussbaumer

Gleissendes Gegenlicht, Overknees mit Argyle-Muster, in Gelb, in Grün und in Rot abgestimmt auf den Faltenminirock und die grosskarierte Tweedjacke – so ausstaffiert stolzieren Elina Cannone, Jasmin Inauen und Noemi Messingschlager als Heather, Heather und Heather, die drei Horror-Bitches der Westerberg High School von Ohio, die Treppe zu uns herunter, bewundert und gefürchtet von ihren Mitschülerinnen und belauert von den beiden Möchtegern-Oberstechern Ram und Kurt (Severin Durrer und Nick Menzinger). An der Schule haben sich Gruppen gebildet, die einen sind cool, die anderen nicht. Veronica, die Protagonistin des Stückes (im ersten Akt verkörpert von Josephine Odermatt, im zweiten Akt von Sinziana Baila), merkt schnell, dass sie in dem Mobbing-Klima nur überleben kann, wenn sie sich bei den drei Bitches anbiedert und ihre Freundin Martha hintergeht. Martha (Seraina Bebler) kann schon aufgrund ihrer erbärmlichen Erscheinung in Leggins mit Einhorn-Motiv nicht gegen die Heathers anstinken und wird mit Intrigen und Bullying bis zum Suizidversuch getrieben. 

Ein bisschen manipulieren, ein bisschen morden
Als wäre nicht schon genug Sprengstoff in den zwischenmenschlichen Beziehungen drin, tritt noch der finstere J. D. (Nils Cramm) hinzu, der die Hackordnung an der High School neu ausfechten und für sich entscheiden will. Dabei lügt, prügelt, manipuliert, erpresst und mordet er, und er gewinnt das Herz der Protagonistin, die in einem biederen Haus mit leicht vertrottelten Eltern (Elena Brodmeier und Jan Soder) aufgewachsen ist und sich nun plötzlich – geplagt von Gewissensbissen – in der Hierarchie aufsteigen sieht. Verziert wird das Geschehen von einer ganzen Reihe von Mitläufern in Pigtail-Frisuren und toupierten Fön-Mähnen, sozusagen von den Cheerleaders der Bully-Show, und von einer Sozialpädagogin mit Hippie-Aura (Julia Kunz in Vertretung für Saskia Clauwaert).

Sind wir in einem Tarantino?
Das Figurenarsenal und der Plot des Musicals bedienen sich somit hemmungslos aus der Kitschkiste der Jugendliteratur und College-Filme. Die Truppe des Wahlkurses überspitzt diese Klischees in der Inszenierung von Karolina Kowalska zusätzlich mit einer Intensität und Energie sowie mit schrillem Humor, sodass man sich bisweilen in ein Tarantino-Movie versetzt fühlt, zu dem noch eine siebenköpfige Band unter der Leitung von Christoph Huldi den Soundtrack spielt. Huldi hat kurzfristig für Franziska Baumgartner einspringen müssen. Für das Gelingen war viel Probenarbeit nötig. Musikalisch ist das Stück nämlich durchaus eine Herausforderung, sowohl für die Band als auch für die singende Truppe. Somit bot es eine gute Möglichkeit für unseren Abschlussjahrgang, sein darstellerisches und musikalisches Können unter Beweis zu stellen.

Alles Fake!
Aber versuchen wir, dem Musical nebst seinem zweifellos hohen Unterhaltungswert auch noch einen Sinn abzugewinnen. Wir finden uns – vom Outfit her – in den späten 80er-Jahren wieder, aber die Thematik des Bullyings ist ja zeitlos. Zwar erleben wir in „FAKE – The Musical“ keine tiefschürfende Behandlung dieses Themas, obwohl das ganze Spektrum des Mobbens gezeigt wird: vom Lügen, Auslachen und Verleumden über körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe bis hin zum Quälen und Abdrängen in den Suizid. Aber wir erleben vor allem eine Art Karikatur des FAKE-Lebens, in dem sich die Jugendlichen zurechtfinden müssen. Und sie tun dies letztlich mit den Mitteln, die sie von den Erwachsenen vorgelebt bekommen. FAKE sind die Liebeserklärungen. FAKE ist das hüftbrecherische Gerammel der beiden Lausbuben. FAKE sind die Abschiedsbriefe der Getöteten. FAKE ist die Trauer um die vergiftete Ober-Bitch und um die erschossenen Söhne. FAKE sind nicht zuletzt die eigenen Versuche, stärker und unverwundbarer zu sein als die anderen. Und FAKE sind auch die Therapien, in denen die Jugendlichen Reue empfinden und Schwäche zeigen dürfen. Wir drehen im roten Bereich und fühlen mit dem finsteren J. D., der allem FAKE ein Ende setzen will in einem grossen KAWOOM!

Der Albtraum
Wäre da nicht noch die Liebe als einziges Echtes, das auch J. D. und Veronica erleben? Doch auch die scheint eine spektakuläre Inszenierung zu sein, denn so fordernd, wie Veronica dabei zur Sache geht, kaufen wir ihr die nachgeschobene Beteuerung nicht ganz ab: „You were my first.“ Ist also alles FAKE, was Lukas Schweizer von seinem Technikpult aus an diesem 23. Februar auf der mit wenigen, aber bewusst platzierten Objekten bestückten Bühne effektvoll ausleuchtet? Ja, klar! Denn es ist Make-up und Styling von Milanti Nitihardjo & Team, es sind Kostüme aus dem Theater Basel. Es ist alles Schauspiel und somit Spielplatz für die sängerischen, tänzerischen und schauspielerischen Leistungen unseres Kurses und für die Fantasie des Publikums. Und nein, natürlich ist nicht alles FAKE! Denn die Angst, nicht wirklich akzeptiert zu werden, wie man ist, überhaupt die Angst, für die anderen nichts wert zu sein und sich selbst nicht annehmen zu können, die ist zwar ein Albtraum. Aber nicht jeder Albtraum ist ein FAKE.

Hier die erste Ladung Bilder. Damit gehen wir in die wohlverdienten Winterferien. Ein weiterer Bericht ist geplant.