Ein harmonisches Wahlpodium

Im Rahmen der politischen Bildung am Gymnasium und der FMS Muttenz fand am 24. Januar ein Wahlpodium zu den bevorstehenden Regierungsratswahlen statt. Eingeladen waren mit Sandra Sollberger (SVP), Thomas Noack (SP), Manuel Ballmer (GLP) und Thomi Jourdan (EVP) die vier neuen Kandidierenden, die um den freien Sitz kämpfen. Letztere drei nahmen teil, Sollberger sagte ab. Souverän durch die 90 Minuten führte der SRF-Journalist Marcello Capitelli (Regionaljournal beider Basel). Zugehört und nachgefragt haben die Schüler:innen der dritten FMS -und Gym-Klassen. Soweit das Line-up. Von Christof Manetsch (Fotos: Daniel Nussbaumer)

In einer Einleitung stellte Capitelli die Kandidaten den Schüler:innen kurz vor und verwies auf den Ablauf der Diskussion mit den inhaltlichen – im Vorfeld von den Schüler:innen ausgewählten –  Schwerpunkten: Vorstellungsrunde, Asylwesen und Umgang mit geflüchteten Menschen, Digitalisierung, offene Runde mit knappen Fragen und meist knappen Antworten. Die Kandidaten hatten 90 Minuten Zeit, die Schüler:innen von ihrer Person zu überzeugen.

Von Beginn an erlebte das Publikum eine sachliche, respektvolle und zugängliche Diskussion. Die Kandidaten waren bestrebt, ihre Motivation und Qualifikation für das Amt darzulegen. Während Jourdan die Anekdote eines Schülerstreiks seiner eigenen Schulzeit in Muttenz erzählte und auf seine langjährige Tätigkeit im Muttenzer Gemeinderat verwies, stellte er hauptsächlich seine Expertise in der Gesundheitspolitik in den Fokus seines kurzen Werbespots. Ballmer, der mit seinen 42 Jahren der jüngste Kandidat ist, proklamierte für sich, die Stimme der Jugend zu sein und unterstrich seine langjährige Führungserfahrung in der Wirtschaft. Noack sei bestrebt, seine langjährige politische Erfahrung ins Exekutiv-Komitee zu bringen und in diesem Zusammenhang wichtige Entscheide für die Zukunft (Stichwort Klimaschutz) zu fällen. Alle Kandidaten betonten ihre lösungsorientierte und sachorientierte Herangehensweise an politische Fragen. Polemik kam während der gesamten Debatte nie auf. Passend dazu meinte Jourdan, dass er an keinen politischen Grabenkämpfen interessiert sei, sondern dass das Baselbiet schlicht den Anspruch habe, vom Regierungsrat mit den fünf besten Personen vertreten zu werden.

Ein durch und durch harmonisches Podium, was auch an der Absenz der SVP-Politikerin Sollberger lag.

Argumentativ starker und auch stilsicherer Auftritt: Thomi Jourdan

Der erste Themenblock drehte sich zunächst um den Ukraine-Krieg. Die Kandidaten zeigten sich erschüttert über den brutalen Angriffskrieg. Die anschliessende Solidaritätswelle mit den geflüchteten Menschen und die rasche Aufnahme von 2000 Personen in Baselland bewerteten sie als sehr positiv. Auch darüber, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland übernehmen müsse, herrschte Einigkeit. Weiter konstatierte Noack, dass der Klimawandel in der Zukunft weitere Migrationsströme auslösen werde, worauf sich die Politik unbedingt vorbereiten müsse.

Eine Prise SVP streute Capitelli ein, als er aus deren Wahlprogramm zitierte: das EU-Freizügigkeitsabkommen sei ein gescheitertes Experiment. Widerspruch unisono. Kontingentspolitik sei keine Lösung, da gerade die Personenfreizügigkeit zum Wohlstand der Schweiz beitrage, so Ballmer. Jourdan ergänzte, dass die Schweiz etwa im Bereich der Pflegekräfte auf Rahmenabkommen angewiesen sei.

Legte seine Erfahrung in die Waagschale: Thomas Noack

Nun waren die Schüler:innen an der Reihe und stellten einige kritische Fragen. Ob Zivilschutzanlagen für die Unterbringung von Asylsuchenden geeignet seien oder warum Menschen, die aus ferneren Ländern und Kriegen in die Schweiz flüchten, mehr Probleme bei der Aufnahme hätten. Bei der ersten Frage verwiesen die Politiker darauf, dass auch unpopuläre Entscheidungen gefällt werden müssten und dass eine Zivilschutzanlage als Notlösung akzeptabel sei. Bei den Antworten auf die zweite Frage zeigte sich – bei genauem Hinhören – eine Meinungsverschiedenheit. Während Noack der Schülerin beipflichtete und diese Ungleichheit als Defizit bezeichnete, meinte Ballmer, dass die Schweiz etwa mit syrischen Geflüchteten «nicht asozial» umgehe.

Im zweiten Themenblock waren sich die Politiker einig, dass die Digitalisierung ein wichtiges Thema für die Zukunft des Kantons darstelle und in den nächsten acht Jahren zurecht 400 Millionen Franken in diesen Bereich investiert würden.

In diesem Zusammenhang müsse – auch mit Blick auf die Schulen – vor allem an den digitalen Kompetenzen gearbeitet werden. Passend dazu richtete sich Noack direkt an die Schüler:innen: «Die Digitalisierung liefert einen nahezu uneingeschränkten Zugang zu Wissen. Wir brauchen eine neue Art, damit umzugehen. Sie müssen lernen, das Wissen einzuordnen, Wertschöpfung zu generieren und die Gesellschaft so weiterzubringen.» Bei Ballmer und Jourdan wurde gerade bei diesem Schwerpunkt ihr unternehmerischer, wirtschaftsnahe Standpunkt deutlich, indem sie die Schüler:innen aufforderten, künftig innovative Firmen zu gründen.

Plädierte für eine fortschrittliche Schule inklusive Nutzung von KI-Programmen: Manuel Ballmer

Die Rückfragen der Schüler:innen beleuchteten kritische Themen der Digitalisierung: Bildschirmzeit und Datenschutz. Jourdan verwies beim Bereich Bildschirmzeit auf die Wichtigkeit von Eigenverantwortung und Erziehung und Ballmer erachtet die Sensibilisierung beim Datenschutz als wichtigen Teil der digitalen Bildung.

In der kurzen Schlusssequenz griff Capitelli mit dem Klimaschutz und dem Genderdiskurs zwei weitere Themen auf. Ergebnis: Die Klimastrategie 2050 sei zu wenig ambitioniert und die Einführung von Toiletten für non-binäre Menschen an Schulen sei grundsätzlich wünschenswert.

Widersprüche waren rar, direkte Angriffe und Seitenhiebe blieben aus und während der gesamten Diskussion wurde kein einziges Mal das Wort abgeschnitten. Dies mag – gerade für die «Arena»-erprobten Rezipient:innen – überraschend wirken. Und an manchen Stellen wäre durchaus mehr Kontroverse und Disharmonie wünschenswert gewesen. Der Anlass zeigte unseren Schüler:innen aber auf, wie Politik sein kann: konsensorientiert, sachlich und mit der Absicht, die Zukunft des Kantons progressiv zu gestalten. Und auch wenn die inhaltlichen Profile der Kandidaten an der Podiumsdiskussion wenig Reibungen verursacht haben, verliessen die Schüler:innen den Anlass mit einem Erkenntnisgewinn. Nämlich diejenigen Kandidierenden zu wählen, die sie als Personen am meisten überzeugen.

Liessen die Politiker im richtigen Licht glänzen und verschafften ihnen Gehör: Till Hablützel und Tim Vaterlaus