
„Wir haben ja noch etwas Zeit!“, sagt Niels Nuijten, Dramaturg am Theater Basel. Er ist verantwortlich für die Produktion „Die Schöpfung“, das Oratorium von Joseph Haydn. Schülerinnen und Schüler der Gymnasien Muttenz und Oberwil wuseln durch das Foyer Public und bauen Instrumente auf, die sonst in barocken Konzerten unüblich sind, wie etwa ein Marimbaphon, ein Elektropiano, klassische Gitarren, ein Saxofon. Sie gruppieren alles mehrfach um, während die Darstellenden sich rund um die Foyer-Bühne aufstellen und – heute noch ohne Kostüme – sich vorbereiten auf ihre Auftritte. „Wir haben so viele Jugendliche hier, die eine spezielle Freude mitbringen“, fährt der Dramaturg fort, „das ist etwas ganz anderes als die Probe-Routine, die wir normalerweise mit Profis erleben.“ Und so nimmt die erste Durchlaufprobe des ersten Aktes am Aufführungsort ihren Lauf.
Von Daniel Nussbaumer (Text und Fotos)
Es gehe darum, alles, was man einzeln und intensiv geprobt habe, nun am Spielort zusammenzubringen, erklärt Olivia Zaugg, Musiklehrerin am Gym Muttenz. „Und das ist eine Herausforderung in diesem öffentlichen Raum mit all seinen Geräuschen und seiner Grösse.“ Sie leitet das Einsingen des Chores, der aus Mitgliedern der Gym Chöre Muttenz und Oberwil besteht. Später auch beteiligt ist der Extrachor des Theaters Basel, und die Hauptshow gehört dann dem Barock-Orchester La Cetra sowie den professionellen Solist*innen, die das, was wir hier den zweiten Akt nennen, bestreiten. Denn der belgische Theatermacher Thomas Verstraeten inszeniert Haydns Schöpfung auf Anfrage des Theaters Basel quasi in zwei Akten: Der erste Akt, der heute geprobt wird, findet tatsächlich im Foyer Public statt und beinhaltet alle sechs Tage der Schöpfung, ist aber eine auf etwa 25 Minuten gekürzte Fassung von Daniel Brenner. Er hat das Oratorium für ein vorgegebenes Set von Instrumenten arrangiert, für das jugendliche Musiker*innen und Sänger*innen der beiden Gymnasien ein Casting bestehen mussten. Dieser erste Akt wird jedoch nicht nur ein Vorkonzert für das professionelle Hauptkonzert, sondern er visualisiert die Schöpfungsgeschichte auf der eigens dafür aufgebauten Bühne als bewusst kindlich gehaltenes Schauspiel. Die darstellende Truppe besteht wie das Orchester ebenfalls aus Schüler*innen der beiden Gymnasien, die mit diesem Projekt auch ihr 50-jähriges Bestehen feiern.




Die Probe ist inzwischen in vollem Gang. Regisseur Verstraeten schaut nicht nur zu, sondern springt auch einmal auf und geht auf die Jugendlichen zu, gibt direkte Anweisungen, während Christoph Huldi, Chorleiter am Gym Muttenz, die Probe musikalisch leitet und einzelnen Orchestermitgliedern und Sänger*innen Hinweise gibt.



Dramaturg Niels Nuijten erzählt: „Wir haben uns überlegt, wie sich dieser barocke Musikstil und dieses Thema mit den heutigen Jugendlichen verknüpfen lässt. So haben wir bei Haydn eine optimistische, fröhliche Stimmung. Die Schöpfungsgeschichte endet mit der Erschaffung des Menschen und dem Paradies. Es kommt bei Haydn noch nicht zum Sündenfall.“ Die Schöpfung trete daher auch als Illusion hervor und es bleibe die Frage, was echt und was falsch oder nur vorgespielt sei. Dieses Spiel mit der Realität befeuert auch die Inszenierung im zweiten Akt, dem Hauptteil des Abends, der im Anschluss an die Kurzaufführung im Foyer auf der Grossen Bühne stattfindet. Haydns Schöpfung kommt dann als ganzes Oratorium zur Aufführung, nun nicht mehr exotisch instrumentiert, sondern gespielt auf historischen Instrumenten und mit allen Arien und Rezitativen von Profis gesungen. „La Cetra spielt die Instrumente in barocker Stimmung“, präzisiert Lea Vaterlaus, die Dramaturgie-Assistentin des Projektes. Sie freut sich besonders darüber, dass die Jugendlichen im Foyer vor grossem Publikum spielen und singen werden. Auf grossen Projektionsflächen sehen wir dann die Jugendlichen auch im zweiten Akte wieder, wie sie – gemäss Nuijten „nicht mehr Kind, aber auch noch nicht ganz erwachsen“ – sich in der Stadt aufhalten und Begegnungen erleben, von denen wir dann wieder rätseln, ob sie echt oder gespielt sind. Die Schöpfung sprengt hier ihren kindlich-naiven Rahmen, zeigt nach der Darstellung der Kindheit das Erwachsenwerden und reflektiert die Ebenen der Realität, die das Theater des Lebens uns vorspielt.
Inzwischen ist in unserer Probe im Foyer die Schöpfung beim sechsten Tag angekommen, Adam und Eva sind auch schon aufgetreten und Christoph Huldi probt den Schlusschor des ersten Aktes. Die Inszenierung des Finales wird hier natürlich nicht verraten. Es klingt rhythmisch im Saal, wenn Huldi mit dem Chor die Diktion erarbeitet:
Volléndet íst das grósse Wérk! – Volléndet íst das grósse Wérk!
k! – k!
rrr! – rrr!
rrrkkk! – rrrkkk!
Volléndet íst das grósse Wérk! – Volléndet íst das grósse Wérk!

Damit dieser Vers am Schluss wirklich wahr und die Aufführung der musikalische und theatrale Genuss wird, den wir von einer professionellen Institution erwarten, probt die Truppe in den Osterferien. „Wir haben ja noch etwas Zeit!“, sagt der Dramaturg. Der Regisseur aber zeigt sich schon begeistert darüber, wie der Klang sich entwickelt. Denn am 22.4. ist Premiere, und es sind herausfordernde 11 Vorstellungen zu bewältigen – bei laufendem Schulbetrieb. Tickets sind erhältlich beim Theater Basel.

Ein Gedanke zu “Eine Schöpfung in zwei Akten”
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.