von Johanna Kempfert und Yael Battegay (Fotos: Nu)
„Was erwarten Sie, wenn Sie Berlin hören oder sehen?“ Ich bin mal wieder sprachlos. Nur ein Bild der deutschen Hauptstadt zum Einstieg genügt und die Schülerinnen und Schüler teilen ihre vielfältigen und weitreichenden Assoziationen mit. Von den Sehenswürdigkeiten, der Kulturvielfalt bis zum vielen Wasser, steckt alles mit drin. Sie lassen sich ein auf die Sprache des Bildes und vor lauter aufgestreckten Händen sehe ich buchstäblich die Klasse nicht mehr.
Das tolle Engagement und das hohe Mitteilungsbedürfnis der Klasse 2MS faszinieren mich schon seit Wochen. Heute bin ich aber besonders dankbar dafür. Denn heute wird gefilmt! Alles, was ich sage und mache, wird von der Kamera hinter mir, in der Zimmerecke gleich zwischen Wandtafel und Fenster, aufgenommen. In der vordersten Reihe rechts von mir sitzt meine Kollegin Yael Battegay, die heute meine filmische Assistentin ist. Sie unterstützt mich, wo sie nur kann. Denn alles, was nicht im Bildwinkel der Kamera liegt, wird von ihr zusätzlich mit dem Handy aufgenommen. Letzte Woche schon habe ich eine Doppellektion von mir gefilmt und geprüft, ob der Winkel stimmt, die Tonqualität zureichend ist und wie der Film im Anschluss am Computer bearbeitet werden kann. Aber wozu der ganze Aufwand? Wieso filme ich überhaupt eine Deutschlektion von mir?
Nach meinem Deutschstudium an der Uni Basel habe ich an der Pädagogischen Hochschule der FHNW angefangen, Deutsch auf Lehramt zu studieren. Seit August absolviere ich meine Praktika hier am Gymnasium Muttenz. Dank des neuen Partnerschulprogramms der PH darf ich alle drei erforderlichen Praktika hier machen und erhalte ein ganzes Jahr lang Einblick in das Muttenzer Schulleben. Dies ist insofern spannend, als dass meine eigene Schulzeit doch schon ein paar Jahre her ist und mir dieser Einblick, aus der Perspektive einer angehenden Deutschlehrperson, vor Augen führt, wie vielfältig ein Unterrichtsjahr gestaltet werden kann. Nun sind die langersehnten Sommerferien für die Schülerinnen und Schüler schon greifbar nahe und auch ich bin mit meiner Ausbildung zur Gymnasiallehrperson bald fertig. Nur die Videoanalyse fehlt noch… Diese bildet meine Praktikumsabschlussnote. In meinen ersten beiden Praktika erhielt ich jeweils Besuch von der Fachdidaktik Deutsch und den Erziehungswissenschaften der PH. In meinem dritten und letzten Praktikum, das ich bei Daniel Nussbaumer in der Klasse 2MS mache, kommt mich „leider“ niemand mehr besuchen. Damit aber die Verantwortlichen der PH trotzdem wissen, wie eine Deutschlektion von mir aussieht, filme ich diese. Dabei musste ich schon im Voraus den Vorbereitungsteil der Lektionen (ja, Lehrpersonen bereiten ihre Stunden tatsächlich vor!) auf eine Onlineplattform hochladen, erhielt dazu ein Feedback von meinen beiden Betreuungspersonen der PH und mache mich nun noch ans Analysieren des Videos. Hierfür habe ich von der PH gewisse Kriterien erhalten, anhand derer ich meine Lektion selbst auswerten, analysieren und reflektieren soll. Ich bin mal gespannt, wie der Dokumentarfilm von mir und der 2MS ankommt!
Aus der Perspektive der Kamerafrau…
Gleichzeitig unterrichten und sich dabei filmen? Nicht gerade ein einfaches Unterfangen. Deshalb haben Johanna Kempfert und ich, nun schon seit bald einem Jahr gemeinsam am Gymnasium Muttenz und an der PH unterwegs, uns auf einen Deal geeinigt: Ich filme bei ihr und sie filmt bei mir. Im Nachhinein hat sich das als sehr smarter Schachzug erwiesen. Als externe Person hat man diesen objektiven Blickwinkel, der beim Filmen des Unterrichts gefragt ist. Vor allem aber steht man nicht selbst vor der Klasse und hat also Zeit, sich auf interessante Szenen des Unterrichts zu konzentrieren.
An einem Montagmorgen im April werde ich also zum Filmen in der 2MS aufgeboten. Zum Glück weiss Johanna bestens Bescheid, wie die Kamera funktioniert. Somit muss ich nur hin und wieder nachschauen, ob das grüne Licht an der Kamera noch leuchtet. Da die Kamera auf einem Stativ in der Ecke steht, ist ihr Blickfeld allerdings limitiert. Tafelbilder und Interaktionen zwischen Johanna und den einzelnen Gruppen würden nicht aufgezeichnet, sind aber für die Auswertung des Videos sehr wichtig. Deshalb filme ich diverse Situationen auch mit meinem iPhone mit. Ansonsten darf ich die lebendige und spannende Doppellektion aus der Ecke geniessen.
Anfangs ernte ich ein paar überraschte Blicke von Schülerinnen und Schülern. Die Klasse gewöhnt sich aber schnell an die etwas unnatürliche Situation. Es gelingt ihr mehr und mehr, die Kamera zu ignorieren. Sogar als ich mit meinem iPhone umhergehe und Interaktionen während einer Gruppenarbeitsphase filme, lassen sich die Schülerinnen und Schüler nicht beirren. Ich versuche, so unauffällig wie möglich Gespräche aufzunehmen, und bin mir bewusst, dass ich mich selbst als Schülerin wohl ziemlich beobachtet gefühlt hätte.
Die Stunde geht im Nu vorbei. Ich werfe einen Blick in die gefilmten Dateien und bin zufrieden: sowohl das Bild als auch der Ton überzeugen durch hohe Qualität. Nun bin ich an der Reihe mit Unterrichten und Johanna darf das Ganze durch die Kameralinse beobachten.
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