Grenzüberwindungen 

Gott, Geld und grenzüberwindendes Gestrüpp: Campione

von Brigitte Jäggi, Rektorin (Fotos: Christoph Ritter)

Liebe Schülerinnen und Schüler

Liebe Leserinnen und Leser

Campione d’Italia ist ein kleiner Ort, der, wie der Namenszusatz sagt, zu Italien gehört, jedoch von der Schweiz völlig umgeben ist. Der Ort dürfte eine gewisse Bekanntheit haben, weil dort das grösste Kasino Europas steht, und er dürfte noch etwas bekannter geworden sein, weil dieses Kasino im vergangenen Jahr Konkurs gegangen ist. Obwohl Campione zu Italien gehört, gilt hier der Schweizer Franken als Hauptwährung. Und wer italienische Autonummern sucht, tut dies vergebens, denn alle Autos sind mit Tessiner Kennzeichen versehen. Das Telefonnetz ist schweizerisch, was zur Folge hat, dass man von Italien aus, um nach Italien zu telefonieren, eine schweizerische Vorwahl tippen muss. Zur Komplizierung der Verhältnisse dürfte beitragen, dass Campione zwei Postleitzahlen besitzt, eine schweizerische (6911) und eine italienische (22060). Dass Campione für Selbständigerwerbende als Steueroase gilt, sei hier nur der Vollständigkeit halber bemerkt. Bei so viel Verflechtung ist es beinahe nebensächlich, dass, territorial gesehen, Campione d’Italia eine schweizerische Enklave bzw. eine italienische Exklave ist, so, wie es weltweit noch Dutzende Enklaven oder, je nach Blickwinkel, Exklaven gibt.

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Brigitte Jäggi (Foto: Nu)

Das Beispiel von Campione zeigt, wie seltsam Grenzen gezogen sein können, wo es letztendlich vernünftiger wäre, es gäbe sie nicht mehr. Doch die Schlussfolgerung, alle Grenzen abzuschaffen, wäre zu kurz gedacht. Denn Grenzen existieren ja nicht nur als politische oder geographische Phänomene, sondern sie existieren auch als kognitive Tatsachen, so als Grenze zwischen Nichtwissen und Wissen, als Grenze zwischen Nichtkönnen und Können oder als Grenze zwischen Nichtwahrnehmen und Wahrnehmen.

Selbstverständlich ist es das Bestreben unserer Schule, dass sie Anleitung gibt, wie diese Grenzen des Nichtkönnes und Nichtwissens erkannt und wie sie überwunden werden können. Und dass dies letztendlich nur erfolgreich sein kann, wenn die Schülerinnen und Schüler das Überwinden dieser Grenzen auch selber vollziehen. So dokumentiert auch diese Ausgabe die Vielfalt der möglichen Grenzüberwindungen. Auf dass es auch für die Schülerinnen und Schüler einmal ein Leichtes sein wird, Grenzen zu erkennen, wo keine sichtbar sind, und keine Grenzen zu sehen, wo es auch keine Grenzen gibt. Oder auch Grenzen anzuerkennen, wo Grenzen sinnvoll sind, wie dies unser Klimagarten demonstrieren wird.

Eine Grenzüberwindung, die noch niemandem gelungen ist, weil es diese Auszeichnung bisher nicht gegeben hat, ist den Chören der Gymnasien von Muttenz und Liestal geglückt: Sie wurden aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Baselbieter Kulturpreises mit dem Jubiläumspreis geehrt. Immerhin Fr. 25’000.-, die in weitere Chorprojekte investiert werden dürfen. „We are the champions!“, kommt einem da freudig in den Sinn. Oder eben: „Siamo i campioni!“.

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