von Andrea Seehuber (Fotos: Daniel Nussbaumer)
„Frau Seehuber… ich habe ein wirklich grosses Problem. Ich kann mein OneNote nicht mehr öffnen und der Herr Zahno weiss auch nicht, warum das so ist.“ So beginnt die heutige Doppellektion im Schwerpunktfach Chemie für die 1BZ, eine unserer beiden BYOD-Klassen. Laura hat Recht: Wenn Herr Zahno auch nicht weiterweiss, dann ist es wirklich ein Problem. Aber das macht nichts, wir starten erst mal analog. Wir verbrennen Schwefel und gehen dabei der Frage auf den Grund, wie der Sauerstoff zu seinem Namen kam. Den hat er Herrn Lavoisier zu verdanken, der Mitte des 18. Jahrhunderts die Beobachtung machte, dass die Verbrennungsprodukte bestimmter Stoffe in Wasser gelöst sauer reagieren. Lavoisier hat sich geirrt, das wissen wir heute, doch es ist immer wieder faszinierend, welche Pionierleistungen vor über 250 Jahren vollbracht wurden, und das ohne all die Technik, die uns heute zur Verfügung steht. Ganz analog. Wir protokollieren das Experiment in unserem OneNote-Kursnotizbuch, auch Laura, denn die Online-App lässt sich zum Glück noch öffnen und Lauras digitale Notizen sind irgendwo weit weg in Irland auf einem Server gespeichert. Hoffentlich.
In der Pause bekommen wir Besuch: Daniel Nussbaumer wird heute unsere digitale Arbeit mit der Kamera dokumentieren. Der ist erstaunt, dass Laura nun wie selbstverständlich einen Korb voll IKEA-Tassen von meinem Transportwagen birgt und ihre Kollegin kunstvoll verzierte Muffins zum Pfefferminztee kredenzt. Ein kleines analoges Ritual, das die Schülerinnen und Schüler der 1BZ jeden Freitag hinter ihren Laptop-Bildschirmen hervorlockt. Dann geht es weiter mit den Verbrennungsreaktionen. Jetzt müssen zuerst eine Kerze und dann Benzin dran glauben. Wir überlegen uns, was wohl die Verbrennungsprodukte sein könnten, und kommen überein, dass «Wasser und Kohlendioxid» nach einer vernünftigen Antwort klingt. Das gilt es zu beweisen, und zwar mit Hilfe einer kompliziert anmutenden Apparatur, die meine analogen Klassen bis anhin mühevoll von Hand aufs Papier abzeichnen mussten. Yuki zückt sein Smartphone und Sekunden später haben wir ein Foto im Kursnotizbuch, das wir nun beschriften und teilen können. Doch plötzlich ist das Foto verschwunden, jemand hat es im Eifer des Gefechts in seinen Abschnitt verschoben, anstatt es nur zu kopieren. Im nächsten Moment schicken fünf Schülerinnen und Schüler gleichzeitig eine Kopie zurück in den Platz zur Zusammenarbeit. Nun haben wir das Foto gleich in mehrfacher Ausführung, dafür ist eine andere Seite mit Fotos und Videos der letzten Stunden spurlos verschwunden. Ich werde sie später im Abschnitt eines Schülers wiederfinden. Es sollen hier keine Namen genannt werden, aber beim nächsten Mal gibt’s für den Übeltäter zur Strafe keinen Tee in der Pause, so viel steht fest! Kurz vor dem Ende der Stunde ertönt dann ein kläglicher Hilferuf aus der ersten Reihe: „Frau Seehuber … können Sie schnell kommen. Meine Notizen sind alle weg.“ Später kann ich in Ruhe nach Janas Notizen suchen und werde in der Tat im Papierkorb des Notizbuchs fündig – Jana hat wohl einmal an der falschen Stelle auf „löschen“ gedrückt. Problem gelöst. Auch Laura gibt zwei Tage später Entwarnung: Ihr OneNote lässt sich nun doch wieder starten. Ein klarer Fall von spontaner Selbstheilung.
Ein Gedanke zu “BYOD – hier stimmt die Chemie!”
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