
von Julie von Büren, SO-Co-Präsidentin, Maturandin 2019
Es ist kurz vor Mitternacht. Ich sitze auf dem Bühnenrand, blicke zu den Scheinwerfern empor, deren Lichtstrahl die Staubpartikel der Luft im Tanz erstrahlen lässt. Es ist Stille eingekehrt, das Publikum hat die Konzerthalle schon lange verlassen und nur noch vereinzelt hört man Schritte hinter der Bühne. Gedankenverloren rolle ich das zurückgebliebene Kabel auf und bin stolz. «Schon krass», denke ich mir, «was wir alles auf die Beine gestellt haben.»
Während ich krampfhaft versuche, meinen linken Unterarm aus dem zu eng aufgerollten Kabel zu befreien, vibriert mein Handy in meiner Hosentasche. Info-Chat Klimastreik Muttenz, 10 neue Nachrichten. Während wir ein Konzert in der wohl coolsten Location des Kantons veranstaltet haben, hat sich die Klimastreikbewegung für die nächste Demonstration formiert. «Demonstrieren, statt zur Schule zu gehen, da sollte härter durchgegriffen werden!», und «Zuerst gegen den Bildungsabbau demonstrieren und dann die Schule schwänzen, die wissen ja gar nicht, was sie wollen!», hörte ich in den vergangenen Wochen dutzende Male von Personen, die ich nicht nach ihrer Meinung gefragt hatte. Und ja, wir gingen auf die Strasse für eine gute Schulbildung und verzichten nun auf genau diese bewusst. Doch Bildung ist nicht damit getan, die direkte Demokratie an der Wandtafel aufzuzeichnen. Bildung muss dazu befähigen, das Erlernte anzuwenden und mitzugestalten. Sie soll emanzipieren, uns zum Denken und Widersprechen anregen, uns in unseren Positionen stärken, aber uns auch helfen, andere Meinungen zu verstehen.
Mit dieser Anschauung demonstrieren wir nicht auf dem Rücken unserer Bildung für die Umwelt, die Bildung bildet vielmehr die Brücke vom Schulzimmer auf die Strasse, von der Idee zu deren Umsetzung und vom Grundverständnis zur politischen Partizipation. Ich verstehe unser Gymnasium als Werkstatt, die uns so viel Wunderbares konstruieren lässt, das uns als Stützrad bei der Umsetzung unserer Ideen und Visionen dient. Im Deutschunterricht lernte ich, meine Meinung zu formulieren, doch erst auf der Strasse hatte ich den Mut, sie laut herauszuschreien und zu sehen, welche Reaktionen sie auslöst. Ich hatte bereits drei Jahre Wirtschaftsunterricht, bis ich erfuhr, was es bedeutet, seine Selbstkosten bei einem Anlass decken zu müssen. Es ist gefährlich, einzelne Schulfächer und Projekte gegeneinander auszuspielen, denn die einen zeigen uns die Mittel, und die anderen geben uns den Raum, diese anzuwenden und kreativ zu werden. Und genau diese Kreativität wünsche ich den kommenden Generationen. Ich wünsche mir für sie, dass sie ausprobieren dürfen. Und ich wünsche mir, dass sie ermutigt werden, ihre Ideen umzusetzen, und dass sie aufgefangen werden, immer und immer wieder.
Das Kabel löst sich endlich von meinem Arm, zurück bleibt ein nicht zu übersehender Abdruck. Ich lege es beiseite – für die RockNight 2020 und die nächste Generation.

Ein Gedanke zu “Der Abdruck einer Generation”
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