Entlarvende Realitäten: Alltagsrassismus im Fokus 

Gibt es tatsächlich im Alltag Rassismus hier in der Schweiz? Dieser Frage wurde in einer Podiumsdiskussion zum Thema Alltagsrassismus auf den Grund gegangen und ausgiebig diskutiert. Knapp jede dritte Person in der Schweiz ist von Diskriminierung und Gewalt betroffen. Alltagsrassismus ist keine Seltenheit. Es äussert sich im Tonfall, mit Blicken, Beleidigungen in Form von Witzen, etc. und ist darum ein prägnantes Thema. 

Text und Bilder von Lisa Yogarajah (F3c) und Lea Zumsteg (F3c)
[Der Text ist im Rahmen eines PA-Kurses an der FMS entstanden. Die Schüler:innen haben die Veranstaltung selbst gewählt und stellen hier ihre Sicht darauf vor.]

Am 18. März 2024 fand im Turnzimmer des kHauses in Basel eine politische Veranstaltung zum Thema Alltagsrassismus statt, welche ein vertieftes Verständnis und Bewusstsein für die Auswirkungen von Rassismus fördern sollte. Anwesend waren Danielle Isler, Sozialwissenschaftlerin, Stéphane Laederich von der Rroma Foundation und Guilherme Bezerra, ein brasilianischer Medienschaffender. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Elisa de Costa, Gründerin von Blackfluencers, ein Podcast, welcher sich auf die schwarze und afroschweizerische Community konzentriert und zeigt, dass die Community grösser, vielfältiger und innovativer ist, als kommuniziert und dargestellt wird. Elisa de Costa ist ausserdem Mitglied von Afrokaana, einem Kollektiv, welches grossen Wert auf die Einbeziehung und Verstärkung von marginalisierter Personen legt. Seit 10 Jahren findet jährlich rund um den 21. März, dem internationalen Tag gegen Rassismus, eine Aktionswoche in Basel, organisiert von Radio X in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Integration und Anti-Rassismus, statt, welche ein Zeichen gegen Rassismus setzen soll.

Inputvortrag: Was bedeutet Rassismus eigentlich?

Zu Beginn der Veranstaltung hielt die Sozialwissenschaftlerin und Doktorandin Danielle Isler der Universität Bayreuth einen Inputvortrag über die alltägliche Diskriminierungsform Alltagsrassismus und erläuterte, worum es sich dabei genau handelt. An dem Abend befassten wir uns mit folgenden Fragen: Was ist überhaupt Rassismus? Woher stammt historisch gesehen der Begriff Rassismus? Welche Dimensionen/Stufen gibt es von Rassismus? Welche Folgen hat der Rassismus für die Gesellschaft? Und zu guter Letzt: Was kann man aktiv gegen Rassismus tun? Isler begann ihren Input mit einer kraftvollen Aussage, indem sie ein Bild einer Weltkugel mit vielen Punkten und Verbindungen zeigte und betonte: „Wir sind alle miteinander verbunden.“ Danach erläuterte Sie den historischen Kontext. Im Wort „Rassismus“ versteckt sich das Wort „Race“. Sie stellte fest, dass Race eine Ideologie von Menschen war, bei welcher schwarze Menschen von weissen Menschen versklavt wurden. Dabei ging es darum, Menschen in legaler Weise in eine Hierarchie einzuordnen. Man nahm an, dass die weisse Rasse überlegen war. Daraufhin zeigte sie uns die vier Dimensionen von Rassismus auf: die individuelle Ebene, die institutionelle Ebene, die kulturelle Ebene und schliesslich die strukturelle Ebene. Zwischendurch bezog sie immer wieder das Publikum mit ein und stellte verschiedene Fragen, welche die Zuhörer:innen mit drei verschiedenen farbigen Papieren beantworten sollten. Für jede Antwort gab es eine andere Farbe. Darunter waren Fragen wie: Wie oft wurdest du mit Hochdeutsch angesprochen? 

„Diskriminierung schadet und verletzt Menschen“, betonte Isler in ihrem Vortrag. Damit meinte sie, dass betroffene Personen, sogenannte BIPoC (Black, Indigenous and People of Color), oft von physischer wie auch psychischer Gewalt betroffen sind, welche tiefe seelische Wunden hinterlassen. Rassismus ist schmerzhaft – nicht nur physisch. Diskriminierung äußert sich nicht nur in gewalttätiger Form. Oft sind es auch herabwürdigende Handlungen wie das „Othering“ (wir vs. ihr) und andere unabsichtliche Mikroaggressivitäten, welche Betroffene stark verunsichern, obwohl es die meisten nicht mit böser Absicht machen. Solche alltäglichen Situationen mögen auf den ersten Blick harmlos für die betroffenen Personen wirken, jedoch summieren sich diese Bemerkungen, bis es irgendwann zu einem (racial) Trauma führen kann, welches aktuell noch nicht als PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) anerkannt wird. „Die Wirkung ist wichtiger als die Absicht“, fand Danielle Isler. Dabei sind die Wirkung und die Deutung davon meist unsichtbar und können nur von der betroffenen Person wahrgenommen werden.
 

Podiumsdiskussion: Erfahrungen und dringender Handlungsbedarf 

Nach dem spannenden Input von Danielle Isler gab es eine Podiumsdiskussion. Bei dieser teilten die Sprecher:innen ihre Erfahrungen mit Rassismus mit. Stéphane Laederich, Direktor der Rroma-Stiftung, erlebte ein kurioses Erlebnis, als er gefragt wurde, wo er seinen Doktortitel gekauft habe. Solche Erlebnisse und Vorurteile sind keine Seltenheit für Sinti und Romas. Oft werden sie aufgrund ihrer Herkunft beschimpft und benachteiligt. „Sobald die Leute wissen, woher man kommt, gibt es Konsequenzen“, erzählte Stephan aus seinen Erfahrungen heraus. Das Thema Bildung und Verhalten in der Schule brachte Gesprächsbedarf hervor. Danielle Isler war der Meinung, dass der Umgang mit BIPoC Kindern sorgfältiger sein müsse, da bereits im Kindesalter traumatische Erlebnisse passieren, welche einen Einfluss auf das spätere Leben haben könnten. Zudem sollte schon früh die Bedeutung von Rassismus und deren Auswirkungen geschult werden. Auch wurde viel über die Medizin diskutiert. BIPoC werden in der Forschung und Entwicklung der Medizin stark vernachlässigt. Isler erzählte dazu eine tragische Geschichte einer schwangeren Mutter, welche aufgrund einer Fehldiagnose eine Frühgeburt erlitt und ihr Baby dadurch heute noch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen habe. Die Fehldiagnose geschah aufgrund von nicht spezialisierten Geräten und fehlendem medizinischen Wissen über BIPoC.

Wo hat die Schweiz noch Luft nach oben in Bezug auf Anti-Rassismus? 

Nach der Podiumsdiskussion wurden auch Fragen aus dem Publikum beantwortet. Eine davon war: Wo hat die Schweiz noch Luft nach oben? Guilherme Bezerra betonte, dass mehr Empathie einen großen Unterschied machen würde. Man sollte lernen, sich in die andere Person hineinzuversetzen. Außerdem brauche es viel Zeit und Geduld. Besonders in Schulen sollte der respektvolle Umgang mit BIPoC gelehrt werden. Zudem sollten im Unterricht geschichtliche Ereignisse kritisch hinterfragt werden. Im Jahr 2022 verzeichneten in der Schweiz die kantonalen Beratungsstellen 708 Rassismus-Opfer und das sind nur die registrierten Fälle, welche sich auf einer Beratungsstelle für Betroffene gemeldet haben. Die Dunkelziffer ist in Wirklichkeit noch viel höher und steigt stetig an. Deshalb gibt es Parteien wie die JUSO (Jugendorganisation der SP), welche sich gegen Rassismus in der Schweiz einsetzen.

Abschliessende Worte 

Durch diese politische Veranstaltung erhielten wir einen vertieften Einblick in die Thematik Alltagsrassismus und es wurde aufgezeigt, welche fatalen Folgen dies für unsere Gesellschaft mit sich bringt. Es wurde auch deutlich gemacht, dass vor allem in der Schweiz Mikroaggressivität ein prägnantes Problem ist, auf welches aufmerksam gemacht werden muss. Wir sind auch der Meinung, dass die Gesellschaft viel zu wenig darüber informiert ist und es eine Aufgabe der Schule sein sollte, ethische Grundsätze zu vermitteln und man achtsamer mit seinen Mitmenschen umgehen sollte. Abschliessend können wir sagen, dass die Veranstaltung uns die Bedeutung und den Umgang mit BIPoC nähergebracht und dass der Kampf für eine gerechte Welt noch lange nicht vorbei ist.