Soundcheck, Spaghetti und die Arbeit einer SO

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von Eva Oberli und Vanessa Müller

Ich stehe etwas desorientiert im Industriegebiet von Pratteln am Ende einer abschüssigen Strasse. Hierher geführt hat mich Google Earth unter der Suchanfrage „Konzertfabrik Z7“. Es ist kurz nach vier Uhr, der Himmel ist wolkenverhangen, das Areal verlassen. Der einzige Hinweis darauf, dass ich mich tatsächlich am richtigen Ort befinde, sind die zwei Anhänger mit der Aufschrift Z7 am Strassenrand und dumpfe Bassklänge, die aus dem Innern der Fabrikhalle vor mir dringen. Ich versende eine SMS mit meinem Standort, kurz darauf öffnet sich das Eisentor und Julie von Büren, die Vorsitzende der SO, kommt mir entgegen. Beim Betreten der Konzerthalle schlägt mir der Geruch von Spaghettisauce entgegen, die Bässe lassen den Boden vibrieren und wummern im Mauerwerk. 

Julie führt mich durch ein Labyrinth von Gängen hinein in die Konzerthalle. Die Wände sind schwarz gestrichen, Schnappschüsse von Konzerten der letzten 30 Jahre hängen an den Wänden. Wir steigen eine Treppe hoch und erreichen den Aufenthaltsraum backstage. An einem Tisch sitzen die restlichen OK-Mitglieder der RockNight: Matteo Costacurta und Florian Eichenlaub von der FMS Münchenstein, Jimmy Kochuparampil vom Gymnasium Liestal. Sie brüten über Helferlisten, Einteilungsplänen und handbeschriebenem Häuschenpapier. Wer kümmert sich um die eintreffenden SO-Leute vom Gym Liestal? Wo können die Bands ihre Instrumente hinstellen? Sind die roten oder die grünen Eintrittsbänder für die Altersgruppe Ü18 bestimmt? Die Wortwechsel gehen immer wieder in Schreie über, um die Musik, die von der Bühne heraufschallt, zu übertönen. 

Julies Handy summt. Eine Sprachnotiz von Helium Moth. Wo sie denn genau hinmüssen und wann sie dort sein sollen? Ein Anflug von Hektik erfasst die Gruppe. Die Band soll als dritter Act auftreten, doch gerade sieht es so aus, als würden sie sich um mindestens 40 Minuten verspäten. Schaffen sie es dann überhaupt noch zum Soundcheck? Können wir die Reihenfolge der Bands tauschen? Wann kommt Maurice denn an? Wo kann man hier drucken? 

Flo rauscht an mir vorbei. «Falls öpper nümme mag, mir hei Powerriegel vom Jentzer!», ruft er noch über die Schulter, dann macht er sich auf die Suche nach besagtem Drucker. 

Auch die anderen stehen auf und gehen runter in die Halle. Maurice Koller, der von allen nur «dr Moderator» genannt wird, ist angekommen. Er bekommt eins von den extra angefertigten T-Shirts ausgehändigt, die auch alle OK-Mitglieder tragen. Rostrot, mit der Aufschrift CHRAMPFER*IN auf dem Rücken. Unterdessen ist auch meine Mitschülerin und -schreiberin Vanessa Müller angekommen. Nach und nach treffen die SO-Leute der verschiedenen Gymnasien ein. Nur wenige kennen sich bereits untereinander, trotzdem herrscht eine lockere Stimmung. Ob sie denn aufgeregt seien, frage ich, an das OK gerichtet. Immerhin stecken hinter dem heutigen Anlass wochenlange Arbeit, Geduld und eine ganze Menge Organisation. Julie lächelt und zuckt die Schultern. «Uffgregt jo, aber es isch meh so Vorfreud. Bis jetzt lauft alles nach Plan.» Matteo und Jimmy nicken zustimmend, Florian aber scheint wirklich nervös zu sein. «Das wird scho, ke Stress, Flo!», meint Matteo, klopft seinem Kollegen auf die Schulter und schleift ihn mit sich. «Und jetzt chumm mit, du muesch rede!» 

Während die beiden eine kleine Ansprache an die SO-Helfer richten und sie anschliessend auf die Einsatzposten verteilen, nutzen wir die Möglichkeit, die ersten Bandmitglieder anzusprechen. 

Bereits komplett sind lediglich MadeByK, sie haben heute ihren ersten grossen Auftritt. Blue Carpet sind bisher nur durch Saxophonist Damian vertreten, für Cromatik steht Joshua bereit. Bei allen überwiegt die Gelassenheit, sie freuen sich auf den Auftritt auf der grossen Bühne. Wir kommen nicht dazu, mit Mitgliedern aller Bands zu sprechen, geschweige denn die Gespräche zu vertiefen. Grund dafür ist ein Mann mit Z7-Logo auf dem Shirt, der zu uns tritt: Sigi, der Techniker. Er versammelt die Bands um sich herum, um alle Informationen weiterzugeben; Ablauf, Umbauzeiten, Stauraum und Unterbringung für Instrumente. 

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Wir beschliessen den Blick vorübergehend von den Acts des Abends abzuwenden und stattdessen auf die Konzerthalle selbst zu richten. Die vielen Bandposter fallen auf, ebenso die verspiegelten Wände, die bunten Spots, der LKW mitten in der Halle und die Kronleuchter. Alles in einem schwarz gestrichenen Korpus, in dem jede zweite Nacht Musik spielt. 

Immer mehr Mitarbeiter des Z7 durchqueren unser Blickfeld und einzig mit ihrer Anwesenheit verkörpern sie den Charakter dieses Gebäudes. Die Männer tragen die Haare allesamt lang. Die Haare der Frauen sind bunt gefärbt. Ausnahmslos. Die SECURITAS trägt Protektorenkleidung am Leib und ein freundliches Lächeln im Gesicht. 

Und dann kommt er. Lange, weisse Haare, Strickpullover und hochdeutsch sprechend. Der Vater des Z7. «Es heisst Norbert und Du», sagt er gleich nach der Begrüssung, lehnt sich gegen den Bartresen und zündet sich eine Zigarette an. Direkt hinter ihm prangt ein Schild im Format 1,5 x 1,5 Meter: RAUCHVERBOT. Wir beginnen in ein Gespräch über die Entstehungsgeschichte des Z7, über das Team, die Veranstaltungen und Gäste von vergangenen drei Jahrzehnten abzutauchen. Dann driften wir ab. Zur Sprache kommen alte Freundschaften jenseits der Landesgrenzen, der Alkoholkonsum von Zwölfjährigen, lärmempfindliche Anwohner und die momentane Lage der Politik beider Basel: «Dieses ganze Geficke von rechts und links, davon versteh‘ ich als Schwob ja nichts.» Es ist schwer, doch wir widerstehen der Versuchung, auf diese Aussage weiter einzugehen. 

Stattdessen verabschieden wir uns von Norbert und gehen zurück in den Backstagebereich. Dort treffen wir die Jungs von Helium Moth beim Spaghettiessen an. Sie sind angekommen, haben sich eingespielt und sind bereit loszulegen. Sobald sie aufgegessen haben.

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Und wie war sie nun, die RockNight 2018? Darüber haben wir hier berichtet!