Das Fricktal ist eine Messe wert

von Daniel Nussbaumer (Text, Fotos und Videos)

Er tut es wieder und immer wieder, und er hat es auch dieses Wochenende wieder getan: Der Gym Chor Muttenz hat sich erneut selbst übertroffen. Am Samstag in der katholischen Kirche Muttenz und am Sonntag in der römisch-katholischen Kirche Möhlin.

Ja, es waren wieder geistliche Gesänge, die aus den jugendlichen Kehlen des Gym Chor Muttenz drangen – wie schon beim „Elias“ im Musicaltheater. Ja, sie wurden wieder begleitet vom Jungen Kammerorchester Baselland – wie schon bei „Dido and Aeneas“ und „Five Days that Changed the World“. Und ja, natürlich standen auch wieder unsere kulturpreisgekrönten Chorleiter Jürg Siegrist und Christoph Huldi vorne und mischten die Schallwellen, um damit dem Publikum die Ohren und Herzen zu fluten. Nichts weniger als eine Messe bekam das Publikum zu hören. Eine Messe? Ist das nicht langweilig? Mitnichten! Ein Akkordeon in der Umarmung von Tenzin Muster und ein Pianoforte unter dem Anschlag von Leyla Huber und Enrico Nitihardjo befeuerten die „Misa a Buenos Aires“ oder „Misatango“ von Martín Palmeri mit argentinischem Tango Nuevo.

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Doch bevor der Gesamtchor und das Junge Kammerorchester die ganze Messe in einer intensiven Abfolge zelebrierte, betrat der Kammerchor des Gym Muttenz unter der Leitung von Jürg Siegrist die Bühne und sang fünf Stücke, die ein breites Spektrum von der Renaissance über die Romantik bis zu zeitgenössischer Musik und Pop auffächerten. Für Eingeweihte war der Kammerchor ein erprobter Garant für musikalische Qualität und deswegen ein gewohnter Musikgenuss. Wer ihn hingegen noch nie erlebt hatte, war wohl doch etwas erstaunt, wie professionell ein Schulchor klingen kann.

Der nächste Act des Abends war das Junge Kammerorchester Baselland unter der Leitung von Christina deNoronha. Zuvorderst links als Kapellmeisterin strich bei Maurice Ravels „Pavane pour une infante défunte“ jedoch nicht die Orchesterleiterin, sondern unsere ehemalige Schülerin Mirjam Rietmann den Ton an. Auch das Junge Kammerorchester begeisterte mit gefühlvoller Virtuosität und lieferte bei der „Danse Bacchanale“ von Camille Saint-Saëns ein berauschendes Feuerwerk ab.

Nach einer Pause belegten das Junge Kammerorchester und der Gym Chor Muttenz nun in Vollbesetzung den Bühnenraum. War das visuell schon eine Ansage, so war das Kyrie eleison akustisch eine Wucht, die ganze Tangomesse ein Ereignis, das dank jugendlicher Hingabe und professionellem Engagement bei den Musiker*innen, den Sänger*innen und den Leitenden die Rektorin Brigitte Jäggi am Schluss sagen liess: „Ich darf doch wirklich stolz sein auf meinen Chor!“ Das Fricktaler Publikum feierte den Chor, das Orchester sowie die vier Solistinnen – Selena Brun, Julia Kunz, Gina Pelosi, Anna Talimaa – mit einer Standing Ovation.

Die Frage, was es noch mehr braucht als drei Probenwochenenden, um mit einem Schulchor solch hochkarätige Kulturevents auf die Beine zu stellen, beantwortet der Chorleiter Christoph Huldi am besten selbst: „Es ist ein Ineinandergreifen von vielen Glücksfällen: Eine Schulleitung, die die kulturellen Anlässe wertschätzt und unterstützt und vor anderen Begehrlichkeiten schützt. Lehrpersonen, welche Experten in der künstlerischen Arbeit sind, mit Herzblut überdurchschnittliches Engagement erbringen, langfristig Ziele verfolgen und auch ausserschulisch kulturell vernetzt sind. Ein Staat, der mit einem Format wie kulturelles.bl (Ressort Vermittlung) Mittel zur Verfügung stellt für professionelles Kulturschaffen im Schulbereich.“ Aber auch darüber gaben die beiden Konzerte in Muttenz und Möhlin hör- und fühlbar Auskunft, wie fruchtbringend die Zusammenarbeit der Kantone Aargau und Baselland im Gymnasium Muttenz die letzten Jahrzehnte war. Die Entwicklung von Schulkultur braucht Vertrauen, Zeit, Talent und Engagement. Dafür, dass die Fricktaler*innen noch bis in alle Ewigkeit das Gymnasium Muttenz besuchen, hat der Gym Chor mit dem Jungen Kammerorchester BL gestern im Aargau eine Messe gesungen. Selbst wenn das Fricktal das Paradies in einem eigenen Gymnasium begründen wollte und seine Bildungspolitiker schon jetzt mit den Kindergärtnern das Kyrie eleison üben würden, es klänge doch nie so himmlisch wie gestern Abend in der römisch-katholischen Kirche von Möhlin. Eher swingt ein Tango fröhlich dahin und es friert die Hölle zu!

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